M/V Greifswald – Batumi-Ilyichevsk (3. – 6. Juni 2012)

Von Georgien möchte ich weiter in die Ukraine reisen. Rund ums Schwarze Meer ist etwas kompliziert, wenn überhaupt möglich. Denn für Russland bräuchte ich ein Visum und das zu kriegen ist anscheinend nicht ganz einfach. Zudem macht die anhaltend angespannte Situation um Abchasien das ganze nicht einfacher. Da ich auf dieser Reise das Fliegen als Fortbewegungsmittel ausschliessen möchte, bleibt mir nur noch der Landweg über die Türkei oder per Schiff über das Schwarze Meer. Den ganzen Weg durch die Türkei zurückreisen möchte ich nun wirklich nicht. Also bleibt nur noch das Schiff. Doch wie funktioniert das mit den Fähren hier? Auf der Internetseite www.ukrferry.com kann man den Fahrplan anschauen und weil es von Poti weniger Verbindungen gibt als von Batumi, bin ich wieder nach Batumi gereist. Hier heisst es etwas rumhängen und auf die Fähre warten. Am 30. Mai bin ich in Batumi angekommen und am 3. Juni sollte die Fähre ablegen, da bleibt mir noch genügend Zeit um ein Ticket zu organisieren. Zunächst gehe ich zum Gebäude der Hafenverwaltung. Der Portier/Sicherheitskontrolleur erleutert mir, dass ich zur Agency an der Kutaisi Street 34 gehen soll. Also versuche ich es dort nochmals. Die Frau erklärt mir in gebrochenem English, dass die Fähre am Samstag 2. Juni ankommt und am Sonntag 3. Juni wieder ablegt. Für ein Ticket soll ich am Samstag um 14 Uhr nochmals kommen. Die günstigsten Billette im 4-Bett-Raum kosten 170 $. Bezahlen muss man mit Lari. Ich versuche herauszufinden, wie gut die Fähre ausgelastet ist und ob es genügend freie Plätze hat. Doch da ist nichts zu machen, an diese Information komme ich nicht ran.
Es heisst also warten bis am Samstag… Endlich ist es so weit. Ich suche einen Bankomaten (ATM) und hebe etwas mehr als 300 Lari für das Ticket ab. Dann in die Agency an der Kutaisi Street 34. Dort reservieren sie mir ein Ticket. Ich muss die Treppe hoch zur Frau, die für das Rechnungswesen zuständig ist. Sie erstellt mir Formular mit den Zahlungsangaben für eine Banküberweisung. Selbstverständlich muss ich jedes Mal den Pass zeigen. Mit dem Zahlungsformular muss ich zur Bank Republic, um die Zahlung auszuführen. Zum Glück hat diese Bank am Samstag geöffnet! Das ist sicher ein spezieller Deal mit der Fährgesellschaft… Der Schalterbeamte tippt immer wieder auf seiner Tastatur rum. Den Pass muss ich natürlich auch noch zeigen – die ID reicht nicht… Mehrere Minuten verstreichen. Mit e-Banking hätte ich das wahrscheinlich viel schneller erledigt gehabt. Bezahlen tue ich mit Lari. Welch ein Verlust beim dauernden Geldwechseln: Franken – Lari – Dollar – und am Ende wahrscheinlich Ukrainische Hryvnya… Doch von anderen Reisenden habe ich gehört, man müsse die Zahlung in Lari machen und Dollar werde nicht akzeptiert. Das kann ich beinahe nicht glauben und müsste vielleicht nochmals versucht werden. Schliesslich kriege ich die Zahlungsbestätigung. Damit gehe ich nun zurück zur Agency. Nochmals Pass zeigen und endlich kriege ich das ersehnte Ticket. Erstaunlicherweise steht darauf ein Preis von 165 $. Wo wohl die restlichen 5 $ Dollar gelandet sind? Mit der Information, dass ich am Sonntag 3. Juni um 12 Uhr beim Hafenverwaltungsgebäude sein muss, gehe ich zurück zum Hostel. Für 5 Lari lass ich mir noch einen rassigen Haarschnitt für die Reise verpassen.
Den Rucksack habe ich gepackt und bin bereit für die Schiffsreise. Um 12 Uhr treffe ich begleitet durch Andrew beim Hafenverwaltungsgebäude ein. Dort warten schon einige andere Reisenden, erkennbar an den grossen Gepäckstücken. Doch ich weiss nicht was deren Ziel ist und ob sie die selbe Fähre benützen. Ich versuche herauszufinden, was ich machen muss – erfolglos. Weil ich einige Passagiere sehe, die beim Schalter mit dem Ticket und Pass aufkreuzen, versuche ich es mal so. Doch ich kriege nur die Anweisung “Sit down”… OK, warten, etwas vor mich hin dösen, lesen, mal bei der alten Frau etwas süsses Brot kaufen – so verggehen 1 1/2 Stunden…
Endlich kommt Bewegung in die Menschenmenge. Koffer und Taschen werden rumgetragen. Ich mache es den anderen gleich und schultere meinen Rucksack. Es geht zur Gepäckkontrolle. Beim Durchleuchten meines Rucksack fällt der Kontrolleurin etwas Ungewöhnliches in meinem Rucksack auf. Als ich einen Blick auf den Bildschirm werfe, muss ich auch zuerst überlegen. Es gleicht etwas den Fingerlingen im Magen eines Drogenschmugglers. Nur sind die einzelnen Elemente kantiger. Was ist das? Ach, das sind die Filmrollen für meine Leica! Trotzdem muss ich meinen Rucksack öffnen und eine Filmrolle zeigen. “Geogian Photos?” fragt mich die Frau mit einem Lächeln. Nochmals gut gegangen und ich packe meinen Rucksack wieder zusammen. Dann zwänge ich mich zu den anderen Reisenden in den kleinen gelbgrünen Bus, wie man sie in Batumi als Linienbusse immer wieder sieht. Es hätte sicher mehr als genügend Platz für jeden, wenn nur nicht all das Gepäck wäre… So fahren wir zum Hafen, durchs Tor und – direkt hinten in die Fähre M/V Greifswald rein! Hoffentlich müssen wir die Fahrt nicht so in diesem Bus verbringen… Aussteigen dürfen wir nur einzeln, dann müssen wir bei der Polizei unseren Pass vorweisen. Einen Stempel kriegen wir noch nicht. Dann werden die Pässe der Georgier, Azeris und Armeniern von jemand anderem, ohne Uniform, nochmals angeschaut. Keine Ahnung warum. Vielleicht um sicherzustellen, dass sie in die Ukraine einreisen dürfen? Ich zeige meinen Pass auch noch kurz, man weiss ja nie, was die genau wollen. Alles in Ordnung. Dann wandern wir entlang der Eisenbahnwagen durch den Schiffsrumpf. Mit dem Lift gehts nach oben, an die Reception. Es dauert sehr lange bis alle ihre Zimmerschlüssel habe. Denn einige Leute wollen die Zimmerkategorie wechseln und stiften Verwirrung und sorgen für Verzögerung. Endlich kann ich zusammen mit einem älteren Georgier das 4-Bettzimmer beziehen. Wow, die Luke der Kajüte schaut direkt auf das Vorderdeck und den Bug. Fast wie der Kapitän, nur nicht ganz so hoch oben. Später gesellen sich noch zwei andere ältere Herren zu uns. Jetzt heisst es nochmals warten. Denn noch haben wir den Ausreisestempel noch nicht im Pass. Es ist warm, ich bin müde und lege mich etwas hin. Irgendwann zwischen 5 und 6 Uhr ist es dann so weit. Die Grenzpolizisten haben ihre Laptops mit Kameras und Passlesegeräten bei der Reception aufgebaut. Mit Kontrollstellen und nicht ganz 50 Passagieren verläuft die Kontrolle speditiv. Die Pässe werden dann eingesammelt und aufbewahrt. Schon ein komisches Gefühl, wenn man jetzt für ein paar Tage ohne seinen Pass übers Meer tuckert. Zum weiteren Zeitvertreibe begebe ich mich auf die Gallerie mit Blick aufs Ladedeck. Die Motoren werden gestartet und dicker, scharzer sowie grauer Russ quillt aus den Schornsteinen. Um etwas 19:30 Uhr (Lokalzeit) ist Essenszeit. Das ist wie bei der Mensatür angeschlagen 18:30 Uhr Ukrainischer Zeit. Also mal die Uhren umstellen und essen gehn. Als Abendessen gibt es Reis mit einem dünnen Poulet (?) Schnitzel und Reis. Dazu noch einen Salat aus geraffelten Rüebli und Kohl. Fertig mit dem feinen georgischen Essen und den Salaten aus Tomaten und Gurken. Fertig mit den besten Tomaten, die es gibt. Kaum habe ich das Menü verspiesen, scheint der Horizont vor dem Mensafenster sich zu bewegen. Wir legen ab! Schnell stürme ich nach draussen. Geradenoch sehe ich wie der kleine Schlepper Tamara (I oder II?) dem grossen Schiff hinten einen Schubs gibt. Doch für ein tolles Foto bin ich wiedereinmal zu spät und zu langsam. Janu. Von meinem Zimmer möchte ich die Ausfahrt durch die Kajütenluke festhalten, doch dummerweise ist das Zimmer durch einen Mitreisenden abgeschlossen worden und ich habe keinen Schlüssel. Aus dem Nachbarzimmer mache ich ein ähnliches Foto, aber das ist nicht das selbe… Dafür kann ich im schönsten Abendlicht die Ausfahrt aus dem Hafen im schönsten geniessen und die Mitreisenden kennenlernen.
Die weitere Reise verläuft ruhig. Für meinen Geschmack fast zu ruhig. Das Schwarze Meer ist spiegelglatt. Nur wenn ich ruhig im Bett liege spüre ich manchmal Bewegungen und frage mich, ob diese echt sind oder nur Einbildung. Denn mit etwa 190 Meter Länge und 28 Meter Breite ist die M/V Greifswald doch ein ordentlich grosses Schiff und die kleinen Wellen mögen da wohl kaum etwas ausmachen. Mich nimmt es Wunder, wie denn ein richtiger Sturm an der Fähre rütteln würde. Der Tagesablauf während der 60 Stunden ist immer der gleiche: Aufstehen, Frühstück, rumhängen, Mittagessen, rumhängen, Abendessen, rumhängen und schlafen gehen… Das essen bleibt mir in spezieller Erinnerung, nicht weil es besonders fein war, sonder weil es ein typischer Sovjetfrass war, der nicht gerade liebevoll zubereitet wurde… Dass die Erbsen aus der Dose zum Teil noch kühl waren bestätigte dies nur. Aber in der Not frisst der Teufel fliegen… Dass allergrösste Highlight der Fahrt waren aber sicher die Delfine, die unsere Fähre begrüssten. Einfach aufs Wasser schauen und warten bis wieder ein Delfin vorbei kommt. Vor allem am Morgen kamen sie gerne zur Fähre. Quallen waren die andren Meerestiere, die ich sah. Auch wenn es nicht viele waren – es ist nicht gerade einladend um hier schwimmen zu gehen…
Am frühen Morgen (etwa 6 Uhr) vom 6. Juni erblicke ich die ersten Bojen und Hafenanlagen von Ilyichevsk. Schnell packe ich meine Sachen zusammen und renne mit meinem Fotoapparat aufs Deck. Ich möchte doch die Manöver im Hafen nicht verpassen.  Der Hafen hier ist wesentlich grösser als der eher kleine Hafen von Batumi. Bei der Hafeneinfahrt belgleitet ein kleiner Schlepper unser Fähre, doch im Hafen manöviert das riese Schiff alleine, ohne weiter Hilfe. Das erstaunt mich schon. Also zuerst in den Hafen reinfahren, dann das ganze Schiff im Hafen um 180 ° wenden, um denn rückwärts, mit dem Heck voran, an der Landerstelle entlang des Stegs anzudocken. Das Ganze zusammen dauerte etwa eine Stunde. Dann mache ich mich für die Passkontrolle bereit. Wiedereinmal ist es eine hübsche Kontrolleurin, diesmal in Militäruniform. Da hätte ich schon etwas länger sprechen oder gar flirten können, aber bei der Passkontrolle ist das so eine Sache. Etwas nach 9 Uhr verlassen wir das Schiff. Es dauert dann nochmals 20 Minuten, bis der kleine Bus kommt. Zeit genug um endlich ein paar Fotos von der Fähre zu machen. Mit dem übervollen Bus fahren wir ca 300 m – das Gepäck wird mit einem Hubstapler transportiert… Als hätte ich das nicht zu Fuss machen können. Aber man darf ja nicht. Dann kommt die Zollkontrolle. Weil das Büro gerade im Umbau ist und der Durchleuchtungsapparat ausser Betrieb ist, dauert es sehr lange. Wahrscheinlich ist dadurch der Kontrolleur schon recht müde und mag meinen Rucksack nicht mehr genau kontollieren. Zudem spricht er nur sehr wenig Englisch. Mir soll es recht sein, dass ich meinen Rucksack nicht nochmals auspacken muss. Als ich, zusammen mit Olesia, Igor und Julien, das Zollgebäude verlasse, sind die meisten anderen Reisenden schon verschwunden. Wohin und wie, das wird mir ein Rätsel bleiben. Wir laufen entlang der Kolonne der Lastwagen, die auf die Fähre zurück nach Georgien wollen. Ein Lastwagen hat Schweine dabei. Ich möchte mir die lange und beschwerliche Reise dieser armen Tiere nicht vorstellen – vorallem weil der Lastwagen ein deutsches Kennzeichen hat. Am Ende der Lastwagenschlange kocht ein georgischer Lastwagenfahrer sich ein paar Würstchen. Er lädt uns dazu ein, auch etwas zu essen. Zum Glück, denn ich habe ausser einem Apfel, den mir Olesia gegeben hat, noch nichts gegessen. Endlich holt uns dann ein Freund von Igor mit seinem Auto ab. Zusammengedrängt mit dem Gepäck geht die Fahrt dann nach Odessa, wo wir beim Bahnhof aussteigen.

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