Kazbegi (15. – 17. Mai 2012)

Wiedereinmal bin ich mit einem Minibus unterwegs. Die grösste Herausforderung habe ich hinter mir – den richtigen Minibus zu finden. Wir fahren von Tbilisi nach Norden, auf dem Georgian Military Highway. Die Fahrt führt durch wunderschöne Landschaften mit saftig grünen Bäumen. Nur fällt mir das Geniessen etwas schwer, da ich noch ganz anderen Gedanken nachhänge. Eigentlich habe ich mir überlegt, auf dem Rückweg bei Ananuri einen Halt einzulegen. Auf Postkarten habe ich eine schöne Kirche vor einem blauen See gesehen. Doch jetzt, wo wir gerade bei Ananuri durchfahren, überlege ich mir es anders. Denn was auf den Postkarten ein schöner, blauer See war, entpuppt sich jetzt als Stausee mit einem sehr Tiefen Pegelstand. Dem entsprechend sind die Ufer breite, braune Streifen und der See überhaupt nicht fotogen. Unter diesen Umständen werde ich auf dem Rückweg hier keinen Halt einlegen. Oder hätte ich ein Beweisfoto machen sollen, um zu zeigen, dass es nicht immer so wie auf den Postkarten aussieht? Unsere Weiterfahrt wird gerade durch eine Schafherde verhindert. Auf der Strasse laufen hunderte Schafe über die Brücke. Blöckend kümmern sie sich keinen Deut um den Strassenverkehr und blockieren die Durchfahrt… Die Strasse führt immer weiter in die Berge und schon bald überschreiten wir die Baumgrenze. In Gudauri sehe ich Hotels, Skilifte und Pistenfahrzeuge, aber keinen Schnee mehr. Nach diesem Skitourismusort gleicht die Strasse, überhaupt nicht mehr einer solchen. Mit unzähligen Schlaglöcher und Kies präsentiert sie sich uns. Vielleicht heisst hier die Strasse nur Highway, weil sie sehr “high” ist und über einen Pass auf 2379 m über Meer führt.
Kaum kommen wir in Kazbegi, das neu Stepantsminda heisst, auf etwa 1700 m über Meer an, stürmen die Einheimischen auf den Minibus zu. Sie versuchen die Touristen für ihre Unterkunft zu gewinnen. Eigentlich wollte ich zu Nazi Chkareuli in die Pension gehen, weil dort noch Leute übernachten, die ich in Tbilisi kennen gelernt habe. Doch ehe ich mich nochmals richtig orientieren kann, werde ich von Vasil überredet, in sein Guest House zu kommen. Schon fahren wir die 200 m in seinem 4×4 Lada Taxi zu seiner Pension. Naja, irgendwie bin ich mir schon etwas unsicher, ob das das Richtige ist, vorallem als ich dann alleine im grossen, kombinierten Schlaf-/ Essraum sitze. Die anderen Gäste sind irgendwo unterwegs, wer weiss wo… Und die Gastgeberfamilie hat sich auch irgendwohin verzogen… Ich komme mir gerade alleine vor.
Eigentlich möchte ich einen Spaziergang zur Tsminda Sameba Kirche auf dem Berg westlich von Kazbegi machen. Doch es setzt Regen ein und zottle etwa eine Stunde lang durchs Dorf, bis es mir zu blöde ist. Zurück in der Unterkunft setzte ich mich alleine aufs Sofa. Irgendwann schlafe ich ein. Plötzlich wache ich auf – etwas ist anders – was? Es regnet nicht mehr. Ein Gästepärchen kommt gerade von der Kirche zurück in die Pension. Weil es nicht mehr regnet, mache ich mich erneut auf zur Kirche. Dieses Mal erfolgreicher. Unterwegs merke ich, dass auch hier der Tourismus seine Spuren hinterlässt. So kommt mir gerade eine Kolonne von etwas 6 Jeeps entgegen. Sie führen die Touristen von ihrem Ausflug zurück ins Tal. Früher wäre es noch schlimmer gewesen, führte doch einst eine Gondel auf den Berg hoch. Doch auch zu Fuss schaffe ich es ohne Probleme auf die 2200 m über Meer. Oben begegne einem Pärchen aus Winterthur (Sie aus dem Thurgau, er aus Deutschland)… Wie klein die Welt manchmal ist. Das passiert, wenn man den Touristenströmen folgt und sich auf Reiseführer stützt. Die kleine Kirche mit dem Glockenturm liegt wirklich idyllisch in den Bergen und präsentiert sich gerade hübsch im Abendlicht. In der Kirche wäre ich eigentlich am liebsten mal alleine, doch nein, ein Mönch ist als “Aufpasser” da und liest in seinem Buch. Ich fühle mich beobachtet… Ansonsten ist es hier wie in jeder orthoxen Kirche: es riecht nach Weihrauch, überall Heiligenbilder, geschützt durch eine Glasscheibe, vor diesen Bildern hängen Öllampen, ein Lesepult mit einem Buch (was immer es auch sein mag…) und die fehlenden Sitzgelegenheiten (einzig neben dem Eingang hat es einen Hocker).
Nach dem Abendessen, ein einheimisches Menü, sitze ich noch etwas mit den anderen Gästen zusammen. Zwei Japanerinnen sind mittlerweile auch noch eingetroffen. Mit ihnen teile ich den Schlafraum. Zum Tagesausklang schaue ich mit den Japanerinnen auf einem Labtop den Film “Into the Wild”. Ein schöner Film, der auch gerade sehr passend ist – bin ich doch auch mit dem Rucksack unterwegs und entdecke die Welt. Nur ob ich wirklich so weit in die Wildniss vorstossen will, weiss ich noch nicht… Vielleicht besser nicht
Am nächsten Morgen geniesse ich ein ausgiebiges Frühstück. Auch wenn es für meine Verhältnisse relativ spät ist. Dann kommt die nächste Überraschung: Der grosse, kombinierte Schlaf-/ Essraum verwandelt sich in eine Baustelle. Er wird unterteilt in zwei kleine Schlafzimmer und einen engen Essraum. Eigentlich schade um den schönen grossen und weiten Raum.
Mit einem gemieteten Mountain-Bike mache ich mich auf Entdeckungstour. Zuerst fahre ich nach Norden, zu einem nahen Wasserfall. In der Sonne ist es brütend heiss. Durch das herunterstürzende Wasser ist es hier beim Wasserfall angenehm kühl. Doch wehe, wenn man zu nahe an den Wasserfall kommt, dann werden die Kleider, in meinem Fall die Hosen, innert kürzester Zeit völlig durchnässt. Zum Glück habe ich meine neuen Outdoor-Hosen an, die trocknen an der Sonner schnell wieder. Meine Velotour führt mich weiter nach Norden – bis an die georgische-russische Grenze. Allzuweit will ich da nicht gehen, denn Probleme möchte ich mir nicht einhandeln. So betrachte ich das Gelände des “Toll” nur von aussen. Einen vorbeigehenden Soldaten (unbewaffnet, im TAZ) frage ich, ob man hier fotografieren darf. Nur weil er mir sagt, man dürfe, gtraue ich mich, hier ein paar Fotos zu machen. Ich will mir ja kein Probleme einhandeln. Komischerweise ist unter den Fotos allerdings kein digitales und wie die analogen werden, wird sich erst beim Entwickeln zeigen. Mit dem Bike quäle ich mich den Berg wieder hoch. Auch der armenische Lastwagen hat zu kämpfen. Eine zeitlang kann ich mit ihm mithalten, doch dann lasse ich ihn langsam weiterziehen. Ich hätte mich ja auch hinten festhalten können – doch dann hätte ich meine Sportration verpasst… Wieder zurück in Kazbegi decke ich mich mit Essen ein und geniesse ein Joghurt das ich mit Orangenschnitzen angereichert habe. Gestärkt mache ich mich auf Erkundungstour nach Süden. In einem nahen Dörfchen begutachte ich den “Signaltower” und die Ruinen von Häusern und einer vermuteten Kirche. Mittlerweile bedecken Wolken den Himmel, es windet stark und zwischendurch fallen ein paar Regentropfen. Trotzdem führe ich meine Tour noch ein Weilchen fort, bevor ich den Rückweg antrete.
Zurück in der Pension machen sich die negativen Aspekte der Baustelle bemerkbar. Im Raum wurde geraucht und so hängt Zigarettenrauch in der Luft. Mein Bett wurde irgendwie überstellt, im ganzen Raum ist alles etwas chaotisch und es hat keine Sitzgelegenheiten mehr. Als das Essen bereitgestellt wird kümmern sich die beiden Arbeiter einen Deut darum, dass wir Gäste vielleicht essen möchten. Den Tisch müssen wir selber wieder von der Wand weg ziehen, damit wir beide Längsseiten nutzen können. Kurzum, es ist nicht mehr so angenehm hier. Die Gäste von gestern sind alle abgereist – leider. Dafür sind ein paar neue da: ein Österreicher (Thomas) und zwei Polen. Mit ihnen verbringe ich den Abend. Weil ich gerade wunderschön die Sterne sehe, mache ich einen kleinen Nachtspaziergang und betrachte die Sterne.
Weil mich die Baustelle richtig nervt, entschliesse ich mich, am nächsten Tag abzureisen. Eigentlich wäre ich gerne noch länger geblieben. Aber einfach die Pension wechseln bringt auch nicht viel, denn dann bin ich nur wieder an einem anderen, neuen Ort und muss mich wieder angewöhnen und die nahen Dinge habe ich schon gesehen… Nach dem (späten) Frühstück wandere ich noch auf den Hügel im Osten von Kazbegi. Oberhalb des Waldes, hat es auch ein kleines Kloster (Monastery). Dort geniesse ich etwas die Ruhe und schreibe an meinem Tagebuch. Bis eine Schulklasse die Kirche besuchen kommt. Es ist erstaunlich, was den kleinen Kindern schon eingetrimmt wurde – denn eines nach dem anderen küsst das Kreuz auf einem Stein vor der Kirche. Als erneut Regen einsetzt, mache ich mich auf den Rückweg zur Unterkunft. Am Nachmittag mache ich mich zusammen mit Thomas auf den Rückweg nach Tbilisi. Den ganzen “Georgian Military Highway” zurück. Und wieder hat es einige grosse Schafherden auf der Strasse, die unsere Weiterfahrt verzögern…

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