Mestia (21. – 29. Mai 2012)

Bei der Familie von Givi Ratiani werden wir freundlich begrüsst. Ganz im Gegensatz zum Wetter – der Regen ist nicht gerade einladend. Sämi führt ein paar kleine Diskussionen, da er aus aus seiner Zeit auf Balkan einige Ausdrück der slawischen Sprachen kennt. Zudem spricht Maiko, die 17-jährige Tochter, etwas English. Am Anfang scheint es der Gastfamilie auch nicht ganz klar zu sein, dass Angelica und Sämi zusammen in einem Raum sein wollen und ich in einem anderen. Doch alle sprachlichen Barrieren sind überwindbar und wir beziehen schon bald unsere Zimmer.
Für mich ist es überraschend, dass wir schon kurz nach unserem Ankommen etwas zu essen kriegen. Ich habe fast das Gefühl die wollen mich richtig vollstopfen. In der Zwischenzeit hat der Regen nachgelassen und die Sonne blickt etwas zwischen den Wolken durch. Für Sämi und mich Grund genug, uns auf den Weg zum Kreuz auf dem Berg oberhalb von Mestia zu machen. Wir bewältigen die etwa 600-700 m Höhendifferenz in kurzer Zeit. Für mich ist das Tempo eher hoch – ich muss wohl etwas mehr für meine Kondition tun… Als wir oben beim Kreuz noch etwas weiter den Hügelzug erklimmen, begegnen wir einer Gruppe älterer Israelis, welche mit Jeeps auf den Berg gefahren sind. Wir nehmen es sportlich und schlagen die Mitfahrgelegenheit ins Tal aus. Doch wenn ich an meine Knie und den steilen Abstieg denke, dann wäre eine Fahrt nicht schlecht gewesen. Am Abend gibt es dann einen Stromausfall bei der Familie. Dadurch kann ich nicht warm duschen, was ich gerade nach dieser kleinen Bergtour gerne machen würde. Dafür wird das Nachtessen auf dem Holzherd zubereitet. Dieser ist übrigens sowieso täglich in Gebrauch. Mit Taschenlampen bringen wir etwas Licht ins Dunkle. Und dann, etwas vor 10 Uhr passiert das Unglaubliche. Der Strom und damit das Licht geht an – und sofort werden der Fernseher und der Computer zum Spielen eingeschaltet. Selbstverständlich bleiben beide Geräte während dem späten Nachtessen eigeschaltet.
Für den nächsten Tag habe sich Angelica, Sämi und ich eine Wanderung zum nahen Gletscher ausgesucht. Der Weg ist wie erwartet flach und dadurch anspruchslos. Einzig die Bächlein die ab und zu über unseren Weg fliessen und diesen etwas überschwemmen vermitteln einen kleinen Hauch von Abendteuer. Im Wasser einer Kiesgrube bewegt sich plötzlich etwas – es ist eine Schlange, die zum anderen Ufer schwimmt. Die dunkelgraue Farbe und der gelbliche Fleck hinter der Wange lassen mich vermuten, dass es sich um eine Ringelnatter handelt. Ansonsten ist der Weg lang(-weilig). Bis zum Ziel, dem Gletscher müssen es mindestens 7 bis 10 Kilometer sein. Es zieht sich richtig dahin, bis wir am Eingang zu einem Seitental sind. Erstaunlicherweise – und irgendwie nervend – treffen wir hier wieder auf die gleiche Gruppe Israelis mit ihren Jeeps, denen Sämi und ich schon am Vortag begegnet sind. Dann biegen wir ins Seitental ein. Bis zum Gletscher sind es noch immer 2-3 Kilometer, dieses Mal schöner Gebirgswanderweg. Zum Schluss müssen wir über die verschiedenen Endmoränen des Gletschers klettern, bis wir endlich beim Gletschertor ankommen. Ein rauschender kleiner Fluss strömt dort aus dem Gletscher. Zeit für eine Mittagspause. Zur Erfrischung wasche ich mir den Kopf im eiskalten Wasser. Überraschend schnell schlägt das Wetter um und schon prasselt ein kräftiger Gewitterregen auf uns ein. Eiligst machen wir uns wieder auf den Rückweg. Den beiden Deutschen Mädels, denen wir unweit vom Gletscher begegnen, genügt der Anblick des ewigen Eises aus der Ferne und sie kehren mit uns zurück nach Mestia.
Weil das Wetter hier im Kaukasus sehr wechselhaft ist, entscheiden sich Sami und Angelica am nächsten Tag wieder aus Mestia abzureisen um im Unterland ihr Wetterglück zu suchen. Ich aber bleibe noch ein wenig, obwohl es bis jetzt an fast jedem Tag, den ich im Kaukasus verbracht habe, geregnet hat. Irgendwie habe ich die Hoffnung, dass es etwas bessern könnte. Doch dem ist nicht wirklich so, denn auch an den nächsten beiden Tagen regenet es mindestens einmal am Tag. Ich hänge einfach etwas bei der Familie rum und schaue dem Treiben der Leute zu. Givi, der Vater möchte mir noch ein Museumsbesuch schmackhaft zu machen, doch ich lasse das sein. Es ist mir keinesfalls langweilig, denn irgendwer muss ja auch mal all die Zeilen hier niederschreiben ;-) Am ersten Tag beobachte ich vorallem, wie der Sohn Georgi und sein ebenfalls hier wohnender Schwager aus alten Brettern Möbel für den Minimarkt zimmern. Das Ganze ist nicht so professionell und sorgfältig, aber das spielt hier wahrscheinlich auch weniger eine Rolle. Und seit da weiss ich auch, dass “ჩაქუჩი” (tschakutschi) Hammer und “რუსლან” (ruslan) Nagel bedeutet. Oder so ähnlich, denn es kann gut sein, dass ich etwas verwechsle…
Es gibt ein freudiges Wiedersehen, als ich nach meinem mehrtägigen Ausflug/Marsch nochmals zurück zur selben Gastfamilie komme. Musste ich ja, denn ich habe hier einige Sachen deponiert, die ich nicht zum Wandern gebraucht habe. Weil ich mir in Ushguli eine Erkältung geholt habe, verbringe ich einige Zeit im Bett. Schlafen ist meistens die beste Medizin. Schliesslich heisst es Abschied nehmen. Am nächsten Morgen nehme ich um 6 Uhr den Minibus nach Zugdidi. Als Abschiedsgeschenk schlägt mir Georgi ein Tausch des Hutes vor. Leider passt mir der mir zunächst angebotene Svaneti-Hut nicht, er ist zu gross. Als ich später, die Mutter ist von ihrer Arbeit im Minimarkt zurück nochmals ins Wohnzimmer komme ist ein zweiter Hut da. Dieser passt mir fast wie angegossen auf den Kopf. Einzig bei den Ohren ist es etwas knapp. Ich lasse für Georgi mein Dächlikäppli von Mammut zurück. Naja, made in China – aber immerhin designed in Switzerland… Nur ersetzt der Hut aus dickem, etwas kratzigem Wollfilz kein sommerlich leichtes Dächlikäppli. Aber ich kann ja zu Hause ein neues kaufen. Der Hut ist wohl eines der schönsten Souveniers und wird mich an die schöne Zeit in Svaneti und meine Gastfamilie erinnern.

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