Tatvan – Van | Mit dem Feribot über den Van Gölü

Ich verwache früh. Zu früh. Es dämert erst. Im Morgengrauen erkenne ich silbern schimmern den Van Gölü (Van See). Gestern konnte ich nicht gut einschlafen und wirklich gut geschlafen habe ich dann diese Nacht auch nicht. Dies liegt wohl kaum am Hotel, sondern mehr daran, dass meine Gedanken noch überall herumschwirren. Zum Beispiel am meilenweiten Trip hierher. Oder was ich heute machen möchte. Also versuche ich es nochmals und lege mich aufs Ohr.
Schliesslich stehe ich doch auf und dusche. Wiedereinmal solch eine tolle Dusche, die ohne irgendeine Abtrennung im WC integriert ist. OK, wenigstens ist der Boden schief und das Wasser läuft in eine Ecke… Scheint typisch türkisch zu sein. Dann frühstücke ich und bereite mich auf den Tag vor. Um etwa 9 Uhr gehe ich zur Reception. Dort frage ich nach den Fähren. Nun, der Mann am Tisch versteht mein Englisch nicht ganz und auf Türkisch kann ich es nicht sagen. Also ruft er einen Kollegen an, mit dem ich mich auf Englisch verständigen kann. Ich habe schon gestern Nacht mit ihm telefoniert, weiss aber immer noch nicht, wer er ist… Er gibt mir zu verstehen, dass er kurz einen Cousin anrufe werde, der bei den Fähren arbeitet, ich solle doch ein paar Minuten warten. Es ist eben schon erstaunlich, hier hat jeder irgendwo einen Cousin oder einen besten Freund, der weiterhelfen kann. So etwas kennt man bei uns viel weniger. Wenig später telefoniere ich nochmals mit ihm. Er sagt, dass die Fähren keinen genauen Fahrplan hätten. Warum erstaunt mich das nicht mehr? Um etwa 11 – 12 Uhr werde die nächste Fähre ablegen. Ich solle doch um 10.30 Uhr beim Hafen sein. Das sei gut. Ich habe als noch ein paar Minuten Zeit, bevor ich das Hotel verlassen muss. Diese Fähre möchte ich auf keine Fall verpassen, denn gemäss Lonely Planet gibt es zwei Fähren pro Tag. Und die erste hat schon um 0800 getutet und abgelegt.
Um etwa 10.30 treffe ich im Hafen ein. Ich gehe auf die Leute zu und sie zeigen mir, dass ich einfach nach oben, vorne gehen soll. OK, für mich ist das zu einfach und ich weiss nicht ganz was ich machen soll. Also gehe ich mal nach oben und schaue da rum. Ich denke, dass ich doch noch ein Billett kaufen muss. In der Schweiz muss so etwas immer vor der Fahrt geschehen, doch hier ist niemand, der mir ein Ticket verkaufen möchte. Also stelle ich den Rucksack in die Passagierkabine (diese ist menschenleer…), gehe nochmals nach hinten und schaue mich etwas um.
Es ist Zeit zum Abfahren. Alles ist gerüstet, die Eisenbahnwagen schon lange in der Fähre verstaut und alles bereit. Um etwas 10:55 legen wir ab. Also etwas früher als erwartet – Gut bin ich etwas früher gekommen. Von einem Deck weiter oben winkt mir jemand, ich solle hoch kommen. Nun, ich weiss nicht recht. Ich möchte nicht einfach in ein fremdes Revier reintrampeln. Und ich weiss nicht mal genau, wer an Bord welche Aufgabe hat. Nach etwas zögern gehe ich trotzdem hoch. Später, nachdem wir uns etwas von Tatvan entfernt haben, gehe ich nach vorne. Jetzt stehe ich aussen neben der Führerkabine (wie heisst das beim Schiff schon wieder?) und schaue nach vorn. Wegen dem kühlen (Fahrt-) Wind schliesse ich meine Jacke. Nach einem Weilchen winken mich die Leute in die Führerkabine rein. Wer ist hier wer? Der kleinere, etwas rundliche Mann muss wohl der Kapitän sein. Hier trägt niemand imposante Uniformen, so ist es für mich nur ein Rätselraten, wer was macht… Der Kapitän verkauft mir dann auch ein Billett. Für 5.- TL (etwa 2.50 Fr.!) fahre ich in etwa 4 Stunden die ungefähr 90 Kilometer über den Van Gölü! Ginge es um die Zeit, hätte ich einen Bus genommen. Der braucht für den Umweg um die südliche Küste etwa 2.5 Stunden und kostet vielleicht 10 – 15 TL, also auch nicht ein Vermögen. Aber ich wollte das ja wegen dem Erlebnis machen. Ich dachte, unterwegs könne ich etwas schreiben – und jetzt stehe ich in der Führerkabine!
Irgendwann um Mittag verziehen sich die meisten. Bis dann jemand hoch kommt und den Steuermann ablöst. Dieser nimmt mich dann nach unten mit, führt mich an den sechs Eisenbahnwagen vorbei und weiter an einem Teil der Mannschaft, die gerade am Essen sind, vorbei. Schliesslich landen wir in einem kleinen Raum, in dem gerade die meisten gerade gespiesen haben und sich um den Fernseher versammeln. Dass hier (genauso wie in der Führerkabine) immer wieder mal etwas geraucht bin, muss ich (kaum mehr) erwähnen. Das scheint in der Tükei so üblich zu sein, genau so wie die Rauchende Jungs (Kinder?), und die Zigaretten-verkaufenden Knaben. Und dann bekomme ich die Gastfreundschaft hier zu spüren. Mir wird ein volles Mittagessen offeriert. Es gibt (Rind-?) Fleisch, das ähnlich wie Gulasch zusammen mit Paprika(?) und ein paar Kartoffeln lange gekocht wurde. Anders als beim Gulasch waren die Fleischstücke etwa faustgross, wenn nicht grösser, und die Sauce gleich mehr einer Bouillon. Dazu gibt es noch etwas Brot und Reis. Als Dessert kommt oben noch eine Banane drauf. Anschliessend wird richtiger çai (türkischer Tee, sprich “Tschai”) getrunken. Zuallererst spült man die Gläschen mit wenig heissem Wasser. Danach füllt man diese speziellen Teegläser bis zur Hälfte mit dem Teekonzentrat, welches im oberen Pfännchen des Teekochers zubereitet wird. Das Teegläschen wird dann mit heissem Wasser aus dem unteren Teil des Teekochers aufgefüllt und man gibt nach belieben Zucker dazu. Den letzten Schluck Tee lässt man im Gläschen und schüttet ihn aus – er enthält den Teesatz.
Nach dem Mittagessen, “zieht” mich ein Maschinist nach unten in den Maschinenraum. Hier verrichten zwei 6-zylindrige Motoren ihr Werk und verursachen einen ohrenbetäubenden Lärm. Ich muss mir teilweise die Ohren zu halten, so laut ist es. Wie halten das die Maschinisten hier aus? Da wird man ja über kurz oder lang taub. Ich mache noch ein paar Fotos. Die Leute posierten geradezu für ein Foto… Meine weitere Zeit verbringe ich mit Spaziergängen über Deck, in der Führerkabine und dann winkt mich der Kapitän noch ganz nach oben, aufs Dach der Führerkabine. Und langsam nähern wir uns Van.
Das Anlegemanöver ist das spannendste der ganzen Reise. Wie wird das Schiff hier in den Hafen, mit dem Heck zu den Geleisen, gelenkt? In der Führerkabine verrichten vor allem der Steuermann und einer, der die Maschinen befehlt, die Arbeit. Derjenige, der zuständig ist für die Maschinen schaut aus dem Fenster raus und befehlt die Maschinen mit diesen “Kommuikationshebel”, die unter Deck den Befehl anzeigen. Weiter sagt er dem Steuermann, was Sache ist und was zu tun ist. Der Steuermann quittiert jeweils die Befehle. So stelle ich mir es auf jeden Fall vor. Denn es wird Türkisch gesprochen und nicht wie auf internationalen Gewässern Englisch oder in der mir bekannten Segelsprache mit “steuerbord”, “backbord”, “ree” und so weiter… Zuerst wird das Schiff mit dem Bug voran an die Hafenmauer gesteuert und dort vertaut. Anschliessend geht es etwas (wenig) rückwärts. Gleichzeitig wird die Fähre langsam längs an die Hafenmauer angelegt und schliesslich mit den Geleisen verbunden.
Es dauert ein ganzes Weilchen (halbe Stunden?), bis die Ladung mit den Eisenbahnwagen gelöscht wird. Die anwesenden Leute können es nur schlecht verstehen, dass ich bei dem Manöver dabei sein möchte und hier warte. Endlich fährt die 6-achsige Diesellok heran. Damit die Lok nicht auf die Fähre fahren muss (darf sie vielleicht auch nicht), wird ihr ein Flachwagen vorangestellt. So werden die grossen 4-achsigen Güterwagen aus der Fähre gezogen. Endlich fährt der Zug davon und auch ich mache mich von dannen.

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