Ich habe Glück, denn gerade sind 4 Japaner bei uns (dem “Homestay” bei der Familie Ratiani zu Besuch. Sie wollen morgen nach Ushguli fahren und haben dazu ein Taxi gemietet. Es bietet sich mir die Gelegenheit, mit ihnen mitzufahren. Um mich auf meiner Wanderung etwas zu schonen, lasse ich einige Sachen bei der Familie zurück – alles was ich in den nächsten drei Tagen nicht benötige.
Um etwa 9 Uhr werden wir von unserem Taxifahrer für die Fahrt nach Ushguli abgeholt. Über den Ugiri Pass (1923 m) fahren wir Richtung Ushguli. Oben auf dem Pass legen wir einen kurzen Fotohalt ein. Wobei ehrlich gesagt die Aussicht nicht gerade berauschend ist… Als wir dann durch Ipari (Bogreshi) durchfahren braucht es wiedereinmal einige Überzeugungskraft meinerseits, um den Taxifahrere zum Anhalten zu bewegen. Hier beginnt also meine Wanderung. Also nochmals die Packung richtig schnüren und vom Ausgangspunkt ein paar Fotos machen. Gerade läuft ein Holzfäller daher und setzt sich auf die Bank neben mir. Er weigert sich nicht gegen ein paar Fotos…
Von Ipari bis Adishi sind es etwa 10 Kilometer Fussmarsch. Der Weg ist eine Kiesstrasse und führt entlang einem kleinen Fluss durchs Tal. Haselnussbüsche und andere Bäume und Sträucher säumen den schöne Weg. Nach etwa 2 Stunden will ich auf die Karte schauen um meinen Standort zu überprüfen. Doch gerade erblicke ich die Häuser von Adishi. Welch eine Überraschung. Eine Übernachtungsgelegenheit zu suchen gestaltet sich einfacher als erwartet. Von der Familie in Mestia habe ich einen Adresse, beziehungsweise einen Namen bekommen. Gerade als ich beim Dorfeingang ankomme, schaut ein Jüngling (oder was ist man mit 17-22 Jahren?) aus einem Haus raus. Da er in Tbilisi studiert spricht er auch etwas English und führt mich dann geradezu zu meiner Gastfamilie.
Der Aufenthalt bei meiner Gastfamilie ist wie ein kleiner Traum. Mit der jungen Gastmutter kann ich einige Worte Englisch reden, was die Kommunikation etwas erleichtert. Besonders aber gefallen mir die beiden quirligen Mädchen Lika (6) und Anna (4). Mit ihnen albere ich dann auch etwas herum und spiele etwas mit ihnen. Adishi selber ist ein winzig kleines Bergdorf, das vom Zerfall bedroht ist. Einige Häuser sind auch schon eingestürzt und nur noch Ruinen. Schade. Doch die Landflucht hält auch hier an. Momentan sollen noch 27 Menschen hier leben. Es hat hier mehr Schweine, Kühe und Hühner… Und diese Tiere lassen ihre gewissen Hinterlassenschaften einfach auf die Wege fallen, was nicht gerade angenehm ist. Dadurch gleichen die Wege etwa einer Mischung aus Schlammbad, Güllenloch und vielleicht Miststock, nur ohne Stroh. Am Besten wäre man hier mit Gummistiefeln ausgerüstet…
Nach dem Z’morge mache ich mich um etwa 9 Uhr auf und ziehe weiter. Am Anfang ist es kein Problem, dem Weg zu folgen – mal abgesehen von den Kuhfladen und der rutschigen Erde. Doch am Ende des Tals habe ich meine Schwierigkeiten. Meine Karte (gekauft bei Geoland in Tbilisi) “sagt mir”, dass ich die Talseite wechseln und den kleinen Fluss überqueren muss. Ein noch dickes Schneefeld stellt für mich die ideale Brücke dar. Doch wo finde ich den richtigen Weg auf der anderen Talseite? Nach einigem Suchen werde ich fündig. Nun gilt es, etwa 400-500 m auf den Pass hochzukraxeln. Jetzt sprüre ich meinen Rucksack und die Last schon, aber es ist durchaus machbar. Zwischendrin brennt mir die Sonne durch ein Wolkenloch auf den Kopf, während ich immernoch die Regenjacke trage. Diese brauche ich auch, denn kaum komme ich auf 2722 m auf dem Pass an, ziehen Wolken auf und der stürmische Wind wirbelt Schneeflocken daher. Nicht gerade eine angenehme Mittagspause und schon bald mache ich mich wieder auf, um den Berg auf der anderen Talseite nach unten zu steigen. Ich bin noch keine 100 m abgestiegen, da lässt der Sturm mit den Schneeflocken nach und schon bald scheint wieder zwischen durch mal die Sonne. Doch der Schnee und Regen hat auch zur Folge, dass die Wiesen und Wege “pflotschnass” sind. Und schon bald sind meine Schuhe völlig durchnässt. Das kann noch mühsam werden. Ich überlege mir, ob ein Sockenwechsel angebracht wäre, doch noch lasse ich es sein. Der Weg führt mich entlang eines Flusses, man könnte es auch Bergbach nennen, durchs Tal (in jedem Tal hat es ein Flüsschen – wie wären sonst die Täler entstanden?). Die nächste kleine Ortschaft heisst Kalde und besteht aus lauter zerfallenden Häusern und Ruinen. Einzig ein Haus, vielleicht sind es auch zwei Häuser, sind noch bewohnt. Beim einen treffe ich gerade drei Männer, die mich zu einem Tee einladen. Sie sind die ersten Menschen, denen ich seit Adishi begegne. Einer dieser Männer ist gerade dabei, im Holzherd Brot zu backen. Weiter geht’s über Iprari und Kala. Es setzt wieder Regen ein. Gerade beim Dorfausgang von Kala begegne ich einem Soldaten auf einem Pferd. Oder ist er ein “normaler” Zivilist, hier tragen ja alle etwas Uniformen. Doch an den Kleidern sind Abzeichen, also vielleicht doch ein Soldat. Ich gebe ihm zu verstehen, dass ich nach Ushguli laufen will – etwas was er bei dem Regen nicht ganz verstehen will. Doch irgendwann hört jeder Regen auf, und so lässt er auch hier schon bald nach. Meinen Schätzungen nach sind es nun weniger als eine handvoll Kilometer bis Usghuli. Das wird mir auch durch die entgegenkommende Patrouille der Militärpolizei bestätigt. Ganz freundliche Leute waren das und haben mich nur gefragt, woher ich komme. Das fragen mich hier übrigens die meisten und raten dann, ich komme aus Israel. Da müssen wohl viele Israelis vorbeikommen. Endlich komme ich so um viertel vor 18 Uhr in Ushguli an. Da Ushguli grösser als Adishi ist und mehrere kleine, nahebeieinanderliegende Dörfer umfasst, gestaltet sich die Suche nach der mir empfohlenen Gastfamilie etwas schwieriger. Doch zum Glück kennt hier jeder jeden und kontinuierlich werde ich in die richtige Richtung geschickt, bis ich am Ende des Dorfes am richtigen Ort ankomme.
Bei der Gastfamilie von Rati Ratiani ist es sehr angenehm. Nur bin ich mangels nichtvorhandenen Kenntnissen des Georgischen auf die einfachste Kommunikation mit Händen und Füssen angewiesen. Das erlaubt nicht gerade tiefgreifende Konversationen, doch für das Wichtigste wie Essen, Trinken und Schlafen und natürlich den Preis reicht es. Die Übernachtungen hier in Ushguli hingegen sind weniger toll. Weil hier in den Bergen noch kühle Temperaturen herrschen, ist es in dem nicht beheizten Raum entsprechend kalt. Dazu kommt, dass ich die Bettdecke und Matraze mit meiner Körperwärme nicht richtig aufwärmen kann und die Decke die Wärme nicht speichert. So friere ich am Morgen – toll.
Am nächsten Morgen weiss ich nicht recht was machen. Ich entschliesse mich, zur Ruine auf dem nahen Berg zu laufen. Ein Mann der Gastfamilie nimmt mich mit und zeigt mir den Weg. Als wir beim Militärposten (Militärpolizei/Grenzkontrolle) vobeikommen, werde ich von dem Mann an einen Soldaten “übergeben”. Dieser führt mich dann weiter durchs Dorf bis zum Anfang des Weges. Doch er ist mir immer einen Schritt voraus und ich kann/mag kaum mithalten. Hier zeigt sich, dass Gummistiefel in dem Match die einzige richtige Lösung wären – das ist auch der Grund, warum ich nicht mithalten kann. Der Weg führt dann weiter auf den Berg hinauf. Gerade in der Falllinie, wobei der Weg teilweise mehr einem kleinen Bach als einem Weg gleicht. Bei der Ruine stärke ich mich mit meinen Bananen. Sonst habe ich ausser meiner Fototasche und der Trinkflasche nichts dabei. Nun möchte ich einen anderen kleinen Umweg ins Tal nehmen. Zunächst führt der Weg entlang einem Bach weiter den Berg hoch. Doch dann verliere ich den Weg und finde mich schliesslich in einem Meer von knie- bis hüfthohen Büschen wieder. Wenn ich mich nicht irrre, handelt es sich hier um eine Rhodendronart. Vielleicht kann mir das ein Botaniker bestätigen? Hier durch diese Büsche ist es ein echter Kampf. Endlich komme ich am oberen, bergseitigen Ende der Büsche an. Ich traversiere einem Schneefeld entlang und komme endlich auf der Krete an. Doch irgendwie bin ich jetzt viel zu hoch. Der Abstieg ist steil, kein Weg, über Wiesen, Gras, Geröll, Kies, Büsche (Rhododendron?), Schneefelder durch einen Birken-/ Rhododendronwald geht es ins Tal. Doch unten die böse Überraschung – wie komme ich über den breiten Bach? Ich laufe dem Bach entlang nach oben und nach unten und finde keine Brücke. Also entscheide ich mich, die Schuhe und Socken auszuziehen, die Hosen hochzukrempeln und durch den Bach zu waten. Offensichtlich habe ich nicht die seichteste Stelle erwischt, denn das Wasser reicht mir bis über die Knie. Dann ist es nur noch ein kleiner Katzensprung zurück nach Ushguli. Am spätern Nachmittag regnet es, ich sitze in der Küche, weiss nicht was zu tun und warte auf – dass die Zeit rum geht. Ein Kratzen im Hals verheisst nichts gutes und nach dem Nachtessen gehe ich früh ins Bett. Wieder eine kalte Nacht.
Am Morgen um 7 Uhr kommt der Gastvater ins Zimmer und gibt mir zu verstehen, dass ich die Möglichkeit habe, mit einer “Maschine” nach Ipari zu fahren. Eilligst packe ich meine Sachen zusammen, esse etwas kleines, packen den Lunch ein und los geht es. Mit dem Sohn – er arbeitet als “Kriminalpolizist” kann ich bis Ipari mitfahren. Hier habe ich meine Wanderung nach Adishi gestartet und jetzt geht es zurück nach Mestia. Es scheint gerade die Sonne und ich mache von dem kleinen Ort noch ein paar Fotos, ehe ich um etwa 9 Uhr aufbreche. Ich habe etwas zu kämpfen, denn das Kratzen im Hals am Abend zuvor hat sich in eine kleinere Erkältung verwandelt. Doch ich will jetzt diesen Berg hoch, entlang der Strasse bis auf den Pass Ugiri. Dort oben sehe ich ein paar Einheimische die am Hitchhiken (Autostoppen…) sind. Viel Erfolg, denn in der letzten Stunde hat mich kein einziges Auto überholt und nur etwa 3 Fahrzeuge kamen mir entgegen. Also laufe ich weiter. Ich versuche eine auf meiner Karte eingezeichnete Abkürzung zu nehmen. Doch diese entpuppt sich als falsche Fährte. Also kehre ich wieder zurück zur Strasse – ein Kiesweg. Langsam wird es eintönig und ich habe aufgrund meiner Erkältung zu kämpfen. Doch kontinuierlich geht es weiter. Einmal habe ich die Mitfahrgelegenheit in einem Lastwagen, doch lehne ich ab. Momentan will ich einfach den Erfolg haben, diese Strecke gelaufen zu sein. Der Lastwagen wäre sicher eine tolle Erfahrung gewesen – das nächste Mal, wenn es nur ums Vorwärtskommen geht. Um halb 1 Uhr lege ich eine Mittagspause ein – 2 Kilometer vor Mestia. Bei meiner Raststätte warten eine Frau und ein Mann und wollen mir irgendein christlich-religiöses Heftchen andrehen. Das brauch ich jetzt wirklich nicht. Es nervt mich geradezu, dass ich hier mitten in der Pampas auf solche missionarischen Tätigkeiten stosse. Zum Mittag gibt es das Khatchapuri, welche ich von der Gastmutter am Morgen bekommen habe. Und dann nehme ich die letzten beiden Kilometer in Angriff. Als ich endlich bei der Gastfamilie Ratiani ankomme, ist es gerade Essenszeit und ich muss/darf mich auch gleich an den Tisch setzten…