Dass die Sonne ausgerechnet hinter einem Berg aufgeht, realisiere ich erst jetzt, als ich vor der Festung von СУДАК stehe. Da hätte ich gut eine halbe Stunde länger schlafen können. Doch um ehrlich zu sein, haben mich vor allem die vielen bellenden Hunde in der Nachbarschaft geweckt. Andernorts haben sie Hähne… Um 05:30 blinzeln die ersten Sonnenstrahlen über den Berg am Horizont. Ich vergnüge mich eine Stunde lang mit ein paar Fotos machen, ehe ich den Rückweg zur Pension antrete. Unterwegs begegnen mir die ersten spärlich bekleideten Badegäste. Bevor ich mich nochmals auf Ohr haue, kaufe ich in der nahegelegenen Autobusstation ein Billett für die Fahrt nach АЛУШТА.
Wie immer – es wird wieder stressig. Eben habe ich mir nochmals die Haare schneiden lassen und schon bald fährt der Bus. Also noch kurz etwas Essen, packen, zur Autobusstation laufen und schon gehts los. Die Fahrt ist nicht wirklich angenehm. Neben mir sitzt eine Frau mit einem Kind. Es ist heiss. Aber das Beste ist, dass die Frau ihre blöde Handtasche zwischen sich und der Buswand auf den Sitz stellt. Als wäre es nicht schon genügend eng und heiss. Frauen und ihre Handtaschen – ein wohl kaum lösbares Problem.
Endlich bin ich in АЛУШТА und steige eiligst aus. Erst als ich im Trolleybus nach СІМФЕРОПОЛЬ sitze merke ich, dass ich meinen Hut aus Georgien im anderen Bus vergessen habe. Verdammt. Da hatte ich es wohl zu eilig, von dieser Frau los zu kommen und habe meinen Hut in der Gepäckablage vergessen. Janu, ein Souvenier weniger. Am Ende hätte ich wahrscheinlich sowieso nicht gewusst, was ich mit dem Hut tun soll und er wäre irgendwo als Staubfänger rumgelegen. Die Trolleybusfahrt ist leider nicht ganz so abenteuerlich wie der Reiseführer gemeint hat. Denn ich erwische einen relativ neuen Trolleybus, der sogar über eine zu gut funktionierende Klimaanlage verfügt. Eine dieser alten Rumpelkisten, wie ich sie in СЕВАСТОПОЛЬ schon kennen gelernt habe, wäre mir lieber gewesen. Immerhin ist der Trolleybus ordentlich gefüllt, so dass die Leute stehen müssen… So fahre ich einen grossen Teil der (gemäss dem Reiseführer) längsten Trolleybusstrecke der Welt, welche von ЯЛТА nach СІМФЕРОПОЛЬ führt. Unterwegs zeigt mir ein Bildschirm im Bus, was ich auf der Insel Krim alles an Sehenswürdigkeiten verpasst habe und vieles, das ich so oder in ähnlicher Form auch gesehen habe.
In СІМФЕРОПОЛЬ starte ich noch eine Versuch, meine georgischen Hut zu lokalisieren. Die junge hübsche Dame vom “Bahnhof-Helpdesk” geht mit mir zur nahen Busstation und macht ein zwei Telefone, was so weit erfolglos blieb. Jetzt bleiben mir noch 5 Stunden… Mit essen, warten, Essen kaufen, warten, Fotos machen, warten, Blog schreiben, warten, warten, warten und nochmals warten – schlage ich die Zeit tot…
Endlich ist es so weit, der Zug fährt ein. Wie alle Züge in der Ukraine sind in diesem Zug nur Schlafwagen eingereiht. Bei den grossen Distanzen macht das auch durchaus Sinn, da man meist sowieso ein paar Stunden durch die Nacht reist. Einzig die langsamen “Elektrishkas”, die den Nahverkehr bedienen, haben keine Betten und nur harte Holzbänke. Wiedereinmal ist die Fahrt nicht besonders bequem. Am Abend ist es in den Wagons noch sehr heiss und ohne den ganzen Tag duschen klebt es überall… Schliesslich lege ich mich schlafen. Viele Leute schlafen in ihren Kleidern – doch dass finde ich nicht so toll. Denn irgendwann müssen sich meine Kleider auch etwas von mir erholen und auslüften. Also alles bis auf die Unterhosen ausziehen. Zum Einschlafen ist das mitgelieferte Leintuch gerade recht. In dieser Wärme möchte ich mir gar nicht mit mehr bedecken. Doch gegen den frühen Morgen das übliche Problem. Durch die Nacht hat es sich draussen wie drinnen merklich abgekühlt. Ich spüre schon wieder eine Erkältung im Anzug. Verdammt. Nur ein Leintuch reicht mir wirklich nicht. Also packe ich meinen Seidenschlafsack aus – das hilft, doch ist es immernoch hart an der Grenze. Ich bräuchte etwas, das meine Körperwärme speichert…
Immerhin offenbaren sich mir wunderschöne Landschaften. Es ist nicht mehr das Mittelmeerklima mit seinem braungebrannten Gras sowie den kleinen Bäumen und Büschen, die kaum Schatten spenden. Hier ist es saftig grün mit sanften Hügeln, zwischendurch mal ein Dorf und ein paar goldgelbe Kornfelder. So gefällt mir die Ukraine viel besser. Mal schauen, wie die Ukraine sonst noch aussieht. Wobei das meiste werde ich wohl nur durchs Zugsfenster sehen, aber immerhin… Und endlich fahren wir nach 15 Stunden in КИЇВ ein.
СУДАК – АЛУШТА – СІМФЕРОПОЛЬ – КИЇВ (26. – 27. Juni 2012)
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