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Tbilisi – Zugdidi – Mestia (20. – 21. Mai 2012)

Ein Zugsticket für die Fahrt von Tbilisi nach Zugdidi zu bekommen ist einfach. Am Schalter im Bahnhof von Tbilisi spricht die junge Frau ein gutes English. So löse ich schon im Voraus ein Ticket. Mit der Metro fahre ich vom Hostel zum Bahnhof, wo der Zug pünktlich um 08:50 los fährt. Dass ich einen reservierten Platz habe, hat seine Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist sicher, dass ich in dem gut besetzten Zug einen sicheren Platz habe. Doch der Nachteil ist, dass ich eben diesen einen Platz habe… Ich schaue in Fahrtrichtung rückwärts – in einem Wagen mit Flugzeugbestuhlung, also etwa die Hälfte aller Sitze schaut in die falsche Richtung an den Hinterkopf des nächsten Reisenden… Dazu kommt, dass die Einteilung der Fenster nicht mit der Bestuhlung abgestimmt ist und ich deswegen meinen Kopf sehr weit nach links drehen muss, um einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen. Immerhin kann ich mich mit lesen und schreiben beschäftigen und “muss” nicht die ganze Zeit den Kopf zum Fenster drehen. Doch das was meine Augen von der Landschaft erblicken sieht vielversprechend aus. Besonders als wir durch die hügelige/bergige Landschaft Richtung Kutaisi fahren. Schöne Berge, die mit vielem, saftigen Grün bewaldet sind. Zwischendurch kommen wir immer wieder mal an einem Bahnhof vorbei, wo wir jeweils einen mehr oder weniger langen Halt einlegen. Dann kommen die Frauen und wollen uns ihre Khatchapuri und andere Backwaren andrehnen. Erstaunlicherweise sehen die Bahnhöfe immer wieder anders aus. Mal sind es Betonbauten im Sovjetstyle, dann sind es pompöse Bauten mit dekorativen Säulen und ein anderes Mal erinnern sie mich mehr an einen Bahnhof in Norditalien, umgeben mit viel Grün. Dass dann mal ein paar Schweine kommen und eines davon etwas am Zug schnuppert erstaunt mich hier wenig, auch wenn es gerade lustig überaschend ist. Mir gefällt es hier. In dem saftigen Grün steckt viel Leben und Energie.
Für die Übernachtung in Zugdidi habe ich mir im Voraus ein Hostel ausgesucht. Das einzige, dass es hier gibt. Als ich nach der stundenlangen Zugfahrt (etwas mehr als acht Stunden) endlich ankomme, stürmt erstaunlicherweise mal kein Taxifahrer auf mich zu. Schaden, denn gerade hier in Zugdidi weiss ich nicht recht, wodurch ich zum Hostel gehen muss. Endlich kommt ein Mann, der “Mestia?” fragt. Ja, dort will ich auch hin, aber erst morgen. Der Mann telefoniert dann mit der Frau vom Hostel (Regina), welche mich dann mit dem Auto abholt. Um so viele Ecken rum hätte ich den Weg wahrscheinlich nicht gefunden, doch soll es anscheinend auch einen einfacheren geben… Ich habe Glück, denn heute Sonntagabend treffen sich gerade ein georgische Freunde im Hostel – es ist mehr eine Pension bei jemandem zu Hause – und machen ein gemeinsames Nachtessen. Ich werde auch dazu eingeladen und geniesse das feine Essen. Wie so oft gibt es viel Gemüse (Gurken und Tomaten) sowie frische Kräuter dazu. Dass es mir gelingt, mich vor dem Alkoholkonsum zu drücken scheint mir geradezu ein Wunder zu sein. Ich bevorzuge den Tee mit den frischen Pfefferminzeblättern aus dem Garten.
Am nächsten Morgen um etwa 8 Uhr werden wir abgeholt für die Fahrt nach Mestia. Wir sind Samuel aus Frankreich, Angelica aus den USA und ich. Samuel und Angelica möchten zusammen auch nach Mestia reisen. So fahren wir gemeinsam zum Bahnhof. Wir wollen auf einen Minibus umsteigen, doch der Fahrer sagt, wir sollen sitzenbleiben. Das verwirrt uns und es nervt uns auch, dass er uns keinen Preis nennen kann oder besser gesagt, will. Zu dritt fahren wir nach einigem Warten (auf was?) mit dem Mitsubishi Delica nach Mestia. Für die ungefähr 136 Kilometer benötigen wir etwa 3 Stunden. Auf der Karte ist die Strasse mehr oder weniger gerade eingezeichnet. Das entspricht aber nur am Anfang im Flachland der Wirklichkeit. Sobald wir in die Berge fahren, folgt eine Kurve der anderen. Darum dauert die Fahrt auch seine Zeit. Dann kommen wir endlich in Mestia an – und gerade beginnt es wieder zu regnen. Wohl wie jedesmal, wenn ich hier in die Berge fahre… Dass wir nun jeweils 20 Lari für die Fahrt bezahlen müssen und nicht wie erwartet 15 Lari, was uns Regina vom Hostel sagte, nervt uns ebenfalls. Nach einem Kaffee/Tee suchen wir im Regen eine Unterkunft. Sämi und Angelica haben zuvor in Kutaisi die Empfehlung für eine Familie bekommen. Nach einigem Suchen und fragen werden wir auch zu einer freundlichen Familie geführt wo wir uns dann auch niederlassen.

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Kazbegi (15. – 17. Mai 2012)

Wiedereinmal bin ich mit einem Minibus unterwegs. Die grösste Herausforderung habe ich hinter mir – den richtigen Minibus zu finden. Wir fahren von Tbilisi nach Norden, auf dem Georgian Military Highway. Die Fahrt führt durch wunderschöne Landschaften mit saftig grünen Bäumen. Nur fällt mir das Geniessen etwas schwer, da ich noch ganz anderen Gedanken nachhänge. Eigentlich habe ich mir überlegt, auf dem Rückweg bei Ananuri einen Halt einzulegen. Auf Postkarten habe ich eine schöne Kirche vor einem blauen See gesehen. Doch jetzt, wo wir gerade bei Ananuri durchfahren, überlege ich mir es anders. Denn was auf den Postkarten ein schöner, blauer See war, entpuppt sich jetzt als Stausee mit einem sehr Tiefen Pegelstand. Dem entsprechend sind die Ufer breite, braune Streifen und der See überhaupt nicht fotogen. Unter diesen Umständen werde ich auf dem Rückweg hier keinen Halt einlegen. Oder hätte ich ein Beweisfoto machen sollen, um zu zeigen, dass es nicht immer so wie auf den Postkarten aussieht? Unsere Weiterfahrt wird gerade durch eine Schafherde verhindert. Auf der Strasse laufen hunderte Schafe über die Brücke. Blöckend kümmern sie sich keinen Deut um den Strassenverkehr und blockieren die Durchfahrt… Die Strasse führt immer weiter in die Berge und schon bald überschreiten wir die Baumgrenze. In Gudauri sehe ich Hotels, Skilifte und Pistenfahrzeuge, aber keinen Schnee mehr. Nach diesem Skitourismusort gleicht die Strasse, überhaupt nicht mehr einer solchen. Mit unzähligen Schlaglöcher und Kies präsentiert sie sich uns. Vielleicht heisst hier die Strasse nur Highway, weil sie sehr “high” ist und über einen Pass auf 2379 m über Meer führt.
Kaum kommen wir in Kazbegi, das neu Stepantsminda heisst, auf etwa 1700 m über Meer an, stürmen die Einheimischen auf den Minibus zu. Sie versuchen die Touristen für ihre Unterkunft zu gewinnen. Eigentlich wollte ich zu Nazi Chkareuli in die Pension gehen, weil dort noch Leute übernachten, die ich in Tbilisi kennen gelernt habe. Doch ehe ich mich nochmals richtig orientieren kann, werde ich von Vasil überredet, in sein Guest House zu kommen. Schon fahren wir die 200 m in seinem 4×4 Lada Taxi zu seiner Pension. Naja, irgendwie bin ich mir schon etwas unsicher, ob das das Richtige ist, vorallem als ich dann alleine im grossen, kombinierten Schlaf-/ Essraum sitze. Die anderen Gäste sind irgendwo unterwegs, wer weiss wo… Und die Gastgeberfamilie hat sich auch irgendwohin verzogen… Ich komme mir gerade alleine vor.
Eigentlich möchte ich einen Spaziergang zur Tsminda Sameba Kirche auf dem Berg westlich von Kazbegi machen. Doch es setzt Regen ein und zottle etwa eine Stunde lang durchs Dorf, bis es mir zu blöde ist. Zurück in der Unterkunft setzte ich mich alleine aufs Sofa. Irgendwann schlafe ich ein. Plötzlich wache ich auf – etwas ist anders – was? Es regnet nicht mehr. Ein Gästepärchen kommt gerade von der Kirche zurück in die Pension. Weil es nicht mehr regnet, mache ich mich erneut auf zur Kirche. Dieses Mal erfolgreicher. Unterwegs merke ich, dass auch hier der Tourismus seine Spuren hinterlässt. So kommt mir gerade eine Kolonne von etwas 6 Jeeps entgegen. Sie führen die Touristen von ihrem Ausflug zurück ins Tal. Früher wäre es noch schlimmer gewesen, führte doch einst eine Gondel auf den Berg hoch. Doch auch zu Fuss schaffe ich es ohne Probleme auf die 2200 m über Meer. Oben begegne einem Pärchen aus Winterthur (Sie aus dem Thurgau, er aus Deutschland)… Wie klein die Welt manchmal ist. Das passiert, wenn man den Touristenströmen folgt und sich auf Reiseführer stützt. Die kleine Kirche mit dem Glockenturm liegt wirklich idyllisch in den Bergen und präsentiert sich gerade hübsch im Abendlicht. In der Kirche wäre ich eigentlich am liebsten mal alleine, doch nein, ein Mönch ist als “Aufpasser” da und liest in seinem Buch. Ich fühle mich beobachtet… Ansonsten ist es hier wie in jeder orthoxen Kirche: es riecht nach Weihrauch, überall Heiligenbilder, geschützt durch eine Glasscheibe, vor diesen Bildern hängen Öllampen, ein Lesepult mit einem Buch (was immer es auch sein mag…) und die fehlenden Sitzgelegenheiten (einzig neben dem Eingang hat es einen Hocker).
Nach dem Abendessen, ein einheimisches Menü, sitze ich noch etwas mit den anderen Gästen zusammen. Zwei Japanerinnen sind mittlerweile auch noch eingetroffen. Mit ihnen teile ich den Schlafraum. Zum Tagesausklang schaue ich mit den Japanerinnen auf einem Labtop den Film “Into the Wild”. Ein schöner Film, der auch gerade sehr passend ist – bin ich doch auch mit dem Rucksack unterwegs und entdecke die Welt. Nur ob ich wirklich so weit in die Wildniss vorstossen will, weiss ich noch nicht… Vielleicht besser nicht
Am nächsten Morgen geniesse ich ein ausgiebiges Frühstück. Auch wenn es für meine Verhältnisse relativ spät ist. Dann kommt die nächste Überraschung: Der grosse, kombinierte Schlaf-/ Essraum verwandelt sich in eine Baustelle. Er wird unterteilt in zwei kleine Schlafzimmer und einen engen Essraum. Eigentlich schade um den schönen grossen und weiten Raum.
Mit einem gemieteten Mountain-Bike mache ich mich auf Entdeckungstour. Zuerst fahre ich nach Norden, zu einem nahen Wasserfall. In der Sonne ist es brütend heiss. Durch das herunterstürzende Wasser ist es hier beim Wasserfall angenehm kühl. Doch wehe, wenn man zu nahe an den Wasserfall kommt, dann werden die Kleider, in meinem Fall die Hosen, innert kürzester Zeit völlig durchnässt. Zum Glück habe ich meine neuen Outdoor-Hosen an, die trocknen an der Sonner schnell wieder. Meine Velotour führt mich weiter nach Norden – bis an die georgische-russische Grenze. Allzuweit will ich da nicht gehen, denn Probleme möchte ich mir nicht einhandeln. So betrachte ich das Gelände des “Toll” nur von aussen. Einen vorbeigehenden Soldaten (unbewaffnet, im TAZ) frage ich, ob man hier fotografieren darf. Nur weil er mir sagt, man dürfe, gtraue ich mich, hier ein paar Fotos zu machen. Ich will mir ja kein Probleme einhandeln. Komischerweise ist unter den Fotos allerdings kein digitales und wie die analogen werden, wird sich erst beim Entwickeln zeigen. Mit dem Bike quäle ich mich den Berg wieder hoch. Auch der armenische Lastwagen hat zu kämpfen. Eine zeitlang kann ich mit ihm mithalten, doch dann lasse ich ihn langsam weiterziehen. Ich hätte mich ja auch hinten festhalten können – doch dann hätte ich meine Sportration verpasst… Wieder zurück in Kazbegi decke ich mich mit Essen ein und geniesse ein Joghurt das ich mit Orangenschnitzen angereichert habe. Gestärkt mache ich mich auf Erkundungstour nach Süden. In einem nahen Dörfchen begutachte ich den “Signaltower” und die Ruinen von Häusern und einer vermuteten Kirche. Mittlerweile bedecken Wolken den Himmel, es windet stark und zwischendurch fallen ein paar Regentropfen. Trotzdem führe ich meine Tour noch ein Weilchen fort, bevor ich den Rückweg antrete.
Zurück in der Pension machen sich die negativen Aspekte der Baustelle bemerkbar. Im Raum wurde geraucht und so hängt Zigarettenrauch in der Luft. Mein Bett wurde irgendwie überstellt, im ganzen Raum ist alles etwas chaotisch und es hat keine Sitzgelegenheiten mehr. Als das Essen bereitgestellt wird kümmern sich die beiden Arbeiter einen Deut darum, dass wir Gäste vielleicht essen möchten. Den Tisch müssen wir selber wieder von der Wand weg ziehen, damit wir beide Längsseiten nutzen können. Kurzum, es ist nicht mehr so angenehm hier. Die Gäste von gestern sind alle abgereist – leider. Dafür sind ein paar neue da: ein Österreicher (Thomas) und zwei Polen. Mit ihnen verbringe ich den Abend. Weil ich gerade wunderschön die Sterne sehe, mache ich einen kleinen Nachtspaziergang und betrachte die Sterne.
Weil mich die Baustelle richtig nervt, entschliesse ich mich, am nächsten Tag abzureisen. Eigentlich wäre ich gerne noch länger geblieben. Aber einfach die Pension wechseln bringt auch nicht viel, denn dann bin ich nur wieder an einem anderen, neuen Ort und muss mich wieder angewöhnen und die nahen Dinge habe ich schon gesehen… Nach dem (späten) Frühstück wandere ich noch auf den Hügel im Osten von Kazbegi. Oberhalb des Waldes, hat es auch ein kleines Kloster (Monastery). Dort geniesse ich etwas die Ruhe und schreibe an meinem Tagebuch. Bis eine Schulklasse die Kirche besuchen kommt. Es ist erstaunlich, was den kleinen Kindern schon eingetrimmt wurde – denn eines nach dem anderen küsst das Kreuz auf einem Stein vor der Kirche. Als erneut Regen einsetzt, mache ich mich auf den Rückweg zur Unterkunft. Am Nachmittag mache ich mich zusammen mit Thomas auf den Rückweg nach Tbilisi. Den ganzen “Georgian Military Highway” zurück. Und wieder hat es einige grosse Schafherden auf der Strasse, die unsere Weiterfahrt verzögern…

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Tbilisi (11. – 14. und 17. – 19. Mai 2012)

Am frühen Morgen komme ich von Baku her in Tbilisi an. Irgendwie irritiert es mich, dass einige Leute im Bus sitzen bleiben, während sie sagen “Tbilisi, Tbilisi”. Ich dachte der Bus fährt nur nach Tbilisi, warum bleiben die dann sitzen und “werfen” mich fast aus dem Bus? Meine Unsicherheit wird dadurch verstärkt, dass irgendwo weit ausserhalb der Stadt sind. Egal, es wird wohl Tbilisi sein und das Zentrum werde ich auch noch finden. Ich bin ja schon mal einen halben Tag hier in Tbilisi gewesen, dann werde ich das Old Town Hostel schon wieder finden. Wie so meist, wenn man aus einem Bus aussteigt, stürmen Taxifahrer auf mich zu. Die möchten mich irgendwohin fahren – hauptsache sie verdienen Geld. Aber 5 $ sind viel bis ins Zentrum – wenn schon 5 Lari… Nach einigem hin und her finde ich mit Hilfe vom Lonely Planet und den Taxifahrern heraus, dass ich mich beim Ortachala Bushof befinde. Einzig mühsam ist manchmal, dass ich für solche Aktionen den Tabletcomputer hervorkramen muss und nicht gleich ein Buch an der richtigen Stelle aufschlagen kann. Dank dem Lonely Planet finde ich heraus, dass ich mich etwa 2.5 km südöstlich vom Zentrum befinden soll. Das sollte auch zu Fuss machbar sein. Zudem ist es sowieso noch etwas früh am Morgen… Gesagt getan, laufe ich ins Zentrum der Stadt. Eine grobe Orientierung habe ich dank der Sonne, dem Fernsehturm und meinem Bauchgefühl. Der Weg zieht sich…
In Tbilisi nehme ich das Leben lockerer. Ich muss mich noch etwas von dem, was ich in Aserbaidschan erlebt habe, erholen. Zudem muss ich nicht mehr in jeder Stadt einfach all die Sehenswürdigkeiten abklappern. Ich habe das langsam statt. Eine Kirche ist eine Kirche und sieht überall mehr weniger gleich aus… Das gleiche gilt für Festungen, Burgen, Schlösser und so weiter. Natürlich gehe ich solche Sachen besuchen – irgendetwas muss ich ja machen – aber ich brauche nicht mehr alles zu sehen. In Museen gehe ich überhaupt nicht mehr, da müsste es schon etwas ganz Spezielles sein. Eigentlich ist es viel spannender, das Leben in der Stadt zu “spüren”.
Mittlerweile mag ich auch nicht mehr jede Stadt zu Fuss entdecken. Die Distanzen zwischen den einzelnen Orten sind irgendwann einfach zu gross. Doch das Bussystem, zu verstehen ist eine Kunst für sich, denn einen Plan vom Liniennetz habe ich nirgends gesehen. Dafür ist die Metro ein tolles Verkehrsmittel. Mit ihr kommt man schnell voran und das Liniennetz ist gut überschaubar – hier in Tbilisi sind es gerade zwei Linien. Die Metro hier in Tbilisi ist nach dem Sovjetsystem gebaut. Praktisch genau gleich findet man sie auch in anderen Städten, die früher zu Sovjetunion gehört haben, so auch in Baku. Erstaunlich ist, wie tief unter dem Boden die Metro hier in Tbilisi gebaut wurde. Man kann nur mit der Rolltreppe nach unten gelangen. Trotz der guten Metro stelle ich immer wieder fest, dass die Leute hier überhaupt keine Ahnung haben, wie man sich im öffentlichen Verkehr verhalten soll. Das beginnt mit der Rolltreppe. Die Leute stehen mal links mal rechts und meistens so, dass man nicht einfach daneben durchgehen kann, um etwas schneller nach unten zu gelangen oder sich im Treppensteigen zu trainieren. Das Ein- und Aussteigen aus der Metro ist auch ein absolut chaotischer Vorgang. Selbstverständlich steigt man zuerst ein und die aussteigenden Leute dürfen sich dann irgendwie dazwischen durchdrängen. An dieser Stelle möchte ich mich entschuldigen, wenn ich da kein Pardon kenne. Sorry, wenn ich mich beim Aussteigen breit mache und auch mal Leute auf die Seite ramme, um endlich aus der Metro zu kommen. Vielleicht lernen es die Leute ja mal. In Baku war das Verhalten der Leute beim Aus- und Einsteigen genau gleich. Doch dort haben dann in der Metro die Männer jeweils den Frauen und älteren Menschen einen Sitzplatz angeboten. Das beobachtet man hier in Tbilisi zu einem Teil auch, aber nie so extrem wie in Baku. In Baku erschien mir dieses Verhalten geradezu zwangshaft. Vielleicht ändert sich das in Baku ja noch im Zuge der Gleichberechtigung…
Für Tbilisi habe ich mir in ganz anderes Ziel gesetzt, als Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Weil ich bisher immer wieder in meinen Jeans geschwitzt habe und darin jeweils beinahe verschmachtet bin, sollen neue Hosen her. Eigentlich suche ich leichte, schnelltrocknende Outdoor-Hosen. Doch nun kommt das grosse Problem: wo findet man einen Laden Outdoor-Artikeln? Im Internet habe ich von zwei Sportläden gelesen, die solche Sachen im Sortiment haben sollen. Mit der Metro brause ich ins Zielgebiet, doch auch nach langem Suchen finde ich keinen der beiden Läden. Also muss ich mir eine andere Strategie entwickeln, wie ich das Objekt der Begierde finden könnte. In der “Rustaveli Street”, der Prachtsstrasse von Tbilisi hat es einige Sportläden. Jeweils einen Shop von Adidas, Nike und Puma. Doch von Outdoor-Hosen weit keine Spur. In der Nähe vom Bahnhof hat es einen Bazar. Hier finde ich garantiert Hosen – zu tausenden – nur nicht solche die ich will/brauche/suche… Dort hat es noch ein Shoping-Centre. Doch das besteht aus lauter kleinen Läden (ca 20 m^2) die immer das gleiche verkaufen. Da hat es zig Kleiderläden, doch keine Outdoor-Kleider. In der Nähe vom Bahnhof finde ich eine andere Shopping-Passage. Dort hat es auch ein paar Sportläden – doch die verkaufen nur Turnschuhe und vielleicht ein paar Fussballkleider. In Tbilisi besteht offenbar überhaupt keinen Markt für soche Hosen, wie ich sie suche… In einem der kleinen Läden habe ich Glück und finde ein paar Hosen. Doch dann sollte ich noch die passende Grösse finden… Ich frage nach, dann gehen wir in einen befreundeten Laden ein paar Schritte weiter und dort suchen wir die passende Grösse. Zurück im ersten Laden probiere ich die Hosen an. Doch irgendwie bin ich etwas unsicher, vorallem weil ich keine Referenzen/Vergleichsprodukte habe. Also schlafe ich erst nochmals darüber. Am nächsten Tag gehe ich nochmals in den zweiten und dann in den ersten Laden zurück. Schlussendlich habe ich zwei Hosen zur Auswahl und kann mich immer noch nicht richtig entscheiden. Vielleicht liegt es daran, dass ich meine genauen Bedürfnisse nicht kenne und auch noch keine Erfahrung mit solchen Outdoor-Hosen habe. Schlussendlich entscheide ich mich gegen die “Zipp-Off”-Hosen und wähle das sandfarbene Exemplar. Hoffentlich werde ich damit glücklich… Dass der Preis bei umgerechnet etwa 70.- Fr liegt ist ein anderes Thema. Hauptsache ich habe jetzt etwa das was ich suchte.
Ein ähnliches Problem wie beim Hosenkauf erfahre ich später. Meine Digitalkamara hat irgendwie Staub im Objektiv. In der Weitwinkeleinstellung sieht man das nicht, aber sobald ich versuche an ein Objekt heranzuzoomen, sieht man diese Stäubchen. Und den Staub wegzuputzen ist bei dieser Kompaktkamera so gut wie ausgeschlossen. Also bleibt mir nichts anderes als ein Ersatz. Bei der Shoppingpassage hat es überall Händy-Läden, die auch ein paar wenige Digitalkameras haben. Doch eine gleiche oder ein Nachfolgeprodukt meiner Kamera gibt es hier nicht. Zudem sind die Kameras dort in den Schaufenstern schon leicht angestaubt – also nicht gerade vertrauenswürdig. Im Bahnhofsgebäude gibt es auch noch zwei Läden mit Elektronikartikeln. Doch auch hier ist die Auswahl marginal. Schliesslich kaufe ich im “Shopping-Centre”, wo es auch überall kleine Händy-Läden mit wenigen Digicams hat, ein Produkt von Nikon. Eigentlich hätte ich gerne eine von Panasonic gekauft, doch davon findet man fast keine Kameras und wenn, dann teure oder solche, die kein Weitwinkelzoomobjektiv haben. Ich glaube nicht, dass ich mit diesem Nikonding glücklich werde. Für umgerechnet 170.- Fr. sollte man in der Schweiz zwar etwas finden, das mich befriedigen würde. Viel mehr Geld möchte ich nicht investieren, sind doch nur in Georgien gültig und wenn es nicht genau das ist, was ich will lohnt es sich auch nicht. Sehr wahrscheinlich sind die Kameras hier auch völlig überteuert. Das würde das kleine Sortiment erklären. Naja, mal schauen, was die Negativpunkte dieses Dings sind. Die ersten habe ich schon mal gefunden, ich kann das Bildformat nicht auf 3:2 einstellen. Nur dieses doofe 4:3 oder ein 16:9. Das Format 16:9 ist vielleicht für Panoramas toll, doch wenn man die Kamera im Hochformat hält – so schlank sind dann die Supermodels auch wieder nicht. Es wäre wirklich schön, wenn ich das Bildformat von den analogen und den digitalen Fotos gleich behalten könnte… Sonst passt da nie was zusammen. Dann weiss ich auch nie, wo diese Kamera hin fokusiert. Und schliesslich hat sie 16 Megapixel! Wow! Das steigert mein Potenz (im Fotos machen natürlich) unglaublich… Ich sehe es kommen, glücklich werde ich mit diesem Teil nicht. Ich suche jetzt schon ein Opfer, dem ich diese Kamera (Nikon Coolpix S3300) nach meinen Ferien schenken kann! Freiwillige meldet euch bitte :-)
Über das Wetter möchte ich gar nicht viele Worte verlieren, denn es ändert sich sowieso immer wieder. Gerade jetzt scheint die Sonnte, dann ziehen Wolken auf und ein kräftiger Gewitterregen prasselt über die Stadt ein. Es regnet so fest, dass sich die Strassengräben in reissende Bäche verwandeln… Es gibt hier also alle Varianten ;-)
Ein ganz spezielles Thema ist wohl die Religion und die Kultur der Georgier im Allgemeinen. Im Gegensatz zu den Nachbarländern Türkei und Aserbaidschan ist Georgien christlich geprägt. Doch christlich heisst hier noch lange nicht, dass es so liberal wie bei uns in der Schweiz zu und her geht. Denn hier sind die Leute christlich orthodox. Und gerade das orthodoxe, konservative spürt man auch. Mir kommen gewisse Verhaltensmuster der Georgier genau so konservativ vor, wie man sie aus islamischen Regionen kennt. Die ersten Fragen, die mir hier zuerst gestellt werden sind “Wie alt bist du?”, “Bist du verheiratet?” und “Warum bist du nicht verheiratet?”! Und das reflektiert gerade auch viele georgische Stereotypen. Denn geheiratet wird meist in für meine Verhältnisse jungen Jahren. Vor allem auf den Land scheinen mir die Ehen auch etwas arrangiert. Auch haben die Georgier früher Kinder als wir. Wobei es ist manchmal doch erstaunlich ist, dass überhaupt Kinder entstehen. Denn auf dem Land leben die jungen Ehepaare oft bei ihren Eltern im Haus. Da gibt es wohl tausende Faktoren, die das Liebesleben stören. Auch eine Art von Verhütung und Familienplanung… Dann kommt auch hier die typisch Rollenverteilung zum Tragen. Die Frauen stehen hinter dem Herd und sind für den Haushalt verantwortlich. Und die Männer – machen nichts oder spielen…
Die Georgier erscheinen mir in meinen Augen sehr religios. Jedesmal, wenn sie ein Kreuz oder eine Kirche sehen, “schlagen sie Kreuze”, das heist mit der rechten Hand zum Kopf, dann Bauch, rechte Schulter, linke Schulter. Im Falle von einer Kirche wird das üblicherweise drei mal wiederholt. Dass man ein Kreuz vor oder in der Kirche mal küsst scheint ebenfalls zu dem Standardverhalten zu gehören, wie das Küssen der vielen Bilder der Heiligen mit ihren goldenen Heiligenscheinen. In den Kirchen werden diese Bilder deswegen extra durch Glasscheiben geschützt. Bei grösseren Kirchen oder auch in Städten findet man auch oft Läden, die Heiligenbilder für den Heimgebrauch verkaufen. Entsprechend findet man bei Familien zu Hause meist auch eine Ecke mit einem Tisch mit Heiligenbilder, Kruzifixen und solchen Sachen. Ebensooft trägt man natürlich ein Kreuz um den Hals. Geht man dann in eine orthodoxe Kirche, sticht einem sofort die Weihrauch-geschwängerte Luft in die Nase. Dann hängen dort eben viele dieser glasscheibengeschützen Heiligenbilder, welche durch das schwache Licht kleiner Öllampen, die davor hängen, beleuchtet werden. Wie in katolischen Kirchen zündet man auch dünne Gedenkkerzen an. Doch am Augenfälligsten in den orthodoxen Kirchen ist, dass sie einen gewaltigen Konstruktionsfehler aufweisen. Anscheinend hat beim Bau niemand daran gedacht, dass man vielleicht auch Gottesdienste in den Kirchen abhalten will. Denn man schlicht und einfach vergessen Sitzgelegenheiten wie Bänke einzubauen. Nicht gerade eine bequeme Art, einen Gottesdienst abzuhalten. Oder ist das eine Methode, damit die Besucher nicht einschlafen? Naja, alles in allem Verhalten sich die orthodoxen Christen in meinen Augen sehr religiös und mir erscheint es etwas weltfremd.

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Lahıc bei Regen (5. Mai 2012)

“Rege, rege Tröpfli…” – regenerisch nass präsentiert sich das Wetter heute. Da muss sich niemand wundern, dass ich noch etwas im Bett liegen bleibe und nicht gerade motiviert bin, aufzubrechen. Selbst nach dem Frühstück ziehe ich mich nochmals dorthin zurück, um mein Tagebuch zu schreiben… Gegen Mittag lockert sich die Wolkendecke und es hört auf zu regnen. Motiviert packe ich meinen kleinen Tagesrucksack, schnüre meine Schuhe und ziehe endlich los. Kaum habe ich die Brücke über den Fluss bei Lahic überquert, offenbaren sich mir die Tücken der ausgiebigen Regenfälle. Der erdige Weg auf den Berg hoch Richtung Vasha ist komplett aufgeweicht. An meinen Schuhen bleibt die Erde in grossen Klumpen kleben. So brauche ich viel länger als erwartet. Als ich fast auf der Passhöhe angelangt bin, sehe ich, dass auch andere mit dem rutschigen Weg zu kämpfen haben. Dort ist ein Lada 4×4 vom Weg abgekommen. Nun versuchen drei Männer, “den Karren aus dem Dreck zu ziehen”. Ich schaue dem Treiben leicht amüsiert zu. Zuerst stechen sie mit einem Spaten eine neue “Spurrinne” aus. Dann wird mit durchdrehenden Reifen und Vor- und Rückwärtsfahren der Lada wieder auf den richtigen Weg gebracht. Als der Lada befreit ist, werde ich dazu überredet, mit ihnen mitzufahren. Die Fahrt führt zunächst auf die Passhöhe und dann auf der anderen Seite Richtung Tal. Es handelt sich um ein einziges Rauf und Runter, Hin und Her. Wem die 8er-Bahnen im vom Europapark zu wenig Nervenkitzel sind, sollte mal mit dem Lada 4×4 eine solche Fahrt mitmachen. Erneut setzt Regen ein. Erst jetzt realisiere ich, dass das Ziel der Fahrt Vasa ist, ein Dorf ganz unten im anderen Tal. Nach einigem überreden, lassen sie mich aussteigen. Ich hätte sonst sicher als Gast bei einem der Männer im anderen Dorf übernachten können, doch bin ich für dieses Abenteuer momentan nicht bereit. Hätte ich meine ganze Packung mit dem grossen Rucksack dabei und würde mein Visum nicht bald ablaufen, würde ich mich wahrscheinlich drauf einlassen. Vielleicht dann in Georgien. Im Regen laufe ich den Berg wieder hoch. Durch den Regen werden langsam meine Jeans nass – wirklich nicht die besten Hosen, aber egal. Erde klebt an meinen Schuhen. Deswegen wähle ich teilweise den Gang über die Wiese, was wesentlich weniger Anstrengung erfordert. Endlich gelange ich wieder auf die Passhöhe. Jetzt geht es nur noch nach unten. Doch das ist einfacher gesagt als getan, denn die Regenfälle verwandeln die Spurrinnen auf dem Weg in Bäche und die Erde ist weich, klebrig und rutschig. Mit total verschmutzten Hosenbeinen und durchweichten Schuhen gelange ich endlich wieder in Lahic an. Zum Glück leiht mir mein Gastgeber Hidayat ein paar Ersatzhosen und Ersatzschuhe aus. Unter dem Wasserhahn bürste ich den grössten Dreck aus den Hosen und befreie meine Schuhe vom Schmutz. Eigentlich sollte ich meine Hosen gleich ganz waschen, aber ich habe etwas Angst, dass ich sie nicht mehr trocken kriege. Auch die Schuhe möchte ich ausstopfen, doch lässt sich hier nur gerade ein Zeitungsblatt finden… Nach dem Nachtessen treffe ich nochmals die einheimischen Jungs. Doch in diesem Dorf ist wirklich viel los und im Internetklub ist wegen dem Regen die langsame Leitung tot… So vergnügen sich die Einheimischen etwas mit PC-Games (Counterstrike…).

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Lahıc (4. Mai 2012)

Nach einer kurzen Nacht muss ich wieder einmal früh aufstehen. Zuerst muss ich den Bus zum Bus Terminal finden. Keine leichte Sache. Gestern hat mir Mischa gesagt, dass ich den Bus 137 vom nahen Platz nehmen soll. Doch diesen Bus sehe ich hier nicht. Nach ein paar mal hin und her mit einem Einheimischen und den Fahrer, nehme ich den Bus 65, der anscheinend auch dort hin soll. Beim 20 Januar Platz müssen wir dann umsteigen. Ich habe extra gestern mal schauen wollen, wo ich das Busterminal finde, habe es aber nicht richtig gefunden. Der Einheimische besteigt mit mir den Bus 96 (?) und wir fahren damit zurm Internationalen Autobusterminal. Freundlicherweise hilft er mir dann auch gleich beim Suchen des richtigen Busses. Wir gehen zuerst zu den Bussen nach Ismayilli, wo auch der Fahrer des Minibuses nach Lahic wartet. Als ich mit dem Fahrer dann mitlaufe und wir das Busterminal wieder verlassen bin ich stark verunsichert, ob er jetzt ein Taxifahrer ist oder ob es ein Minibus ist. Doch es ist ein Minibus. Für 7 Mannat kann ich mit ihm nach Lahic fahren. Ich sitze vorne neben dem Fahrer. Die Windschutzscheibe hat mehrere Sprünge, die wohl mit Leim wieder geflickt wurden. Es hat zwar Sicherheitsgurten, doch ich weiss nicht, wo ich sie einklinken soll. So lasse ich es sein. Der Fahrer legt sich den Sicherheitsgurten brav über die Schulter – ohne Funktion – wohl einfach, dass die Polizei ihn deswegen nicht aufhält.
Die Fahrt führt uns zunächst durch die Vororte raus aus Baku. Hier laufen noch Kühe einfach so über die Strasse. Dann folgte eine karge, ebene Landschaft. Das Gras wächst hier nicht richtig und bewirtschaftet wird das Land auch nicht. Erst als wir langsam die Hügel Richtung Kaukasus erklimmen, sieht man mehr und mehr Grün. Zunächst sind es die Wiesen, die saftiger werden, dann hat es vereinzelte Büsche und schliesslich aufgeforstete Bäume und Büsche entlang der Strasse. Vor Ismayilli biegen wir auf die Strasse nach Lahic ab. Sie führt uns durch richtige Wälder, die wirklich so aussehen wie im Botanischen Garten in Batumi, im Teil Transkaukasus. Hier ist es eine Bergstrasse, die je weiter wir kommen, in einem schlechteren Zustand ist. Unterwegs sehen wir noch ein paar ärmliche Siedlungen, fahren durch das felsige Tal bis wir endlich in Lahic auf etwa 1400 m über Meer ankommen.
Auf dem Dorfplatz ruhe ich mich etwas aus und schon kommt ein junger Azeri zu mir. Er spricht kaum Englisch und sagt, ich solle mitkommen. Ich bin etwas überrumpelt. Er führt mich zu einem anderen Mann. Noch immer bin ich unsicher. Als ich merke, dass er Hidayat Haciyev mit seiner Pension ist – genau was ich eigentlich suche – ist alles wieder OK. Die Pension ist einfach und ich beziehe ein Bett in einem Anbau an das Haus. Entsprechend dem lokalen Standard gibt es nur so ein “Hockklo” (aus Steinen gemauert). Immerhin ist WC-Papier vorhanden, was mir wichtig ist. So lässt es sich arrangieren. Mir ist mittlerweile so ein Hockklo sowieso lieber als eine arg verschmutzte WC-Schüssel nach westlichem Standard. Falls ich Duschen will, muss ich entweder mit kaltem Wasser vorlieb nehmen, oder zuerst ein Feuer machen und den Boiler heizen… Wasser zum Zähne putzen und mich etwas Waschen beziehe ich am Wasserhahn im Garten. Es gibt zwar noch einen oben beim Haus. Gespiesen werden diese wahrscheinlich mit irgendwelchem Quellwasser. Wer weiss woher… Technologisch schliessen die Einheimischen aber auch auf, es gibt Strom, TV, Händy mit Mobilnetz und im Dorf einen kleinen “Internet Klub” mit einer sehr langsamen Leitung…
Ein Spaziergang führt mich durch Lahic. Hier hat die Schweiz mal Entwicklungshilfe gesponsort, immerhin weist ein Tafel beim Hauptplatz daraufhin. Man sieht hier mehr Pferde als Autos auf den Strassen! Doch vereinzelt fährt ein Neureicher mit seinem teuren Jeep durch das Dorf. Irgendwie passt das einfach nicht. Bei einem Kupferschmied lege ich mal eine Pause ein und schaue ihm zu. Wie so oft wird mir ein Cay angeboten. Sein Hämmern auf dem Kupferblech unterbricht das Zwitschern der Schwalben, welche in der Werkstatt/Laden ein und ausfliegen und dort nisten! Allerdings wirkt dieses Hämmern mit der Zeit ohrenbetäubend. Ich hätte gerne eine kleine Schelle als Souvenier gekauft, doch als ich realisiere, dass es aus irgendeinem Metall ist und nur goldig angemalt wurde, lasse ich es sein. Vielleicht finde ich noch etwas anderes kleines. Ich laufe bis ans andere Ende des Dorfes. Wenige Leute sind auf den Strassen unterwegs. Beim Bach ausserhalb des Dorfes, er hat ein etwa 200-300 m breites Bett, geniesse ich meine Mittagspause. Wegen der intensiven Sonnenstrahlen, suche ich ein kühles Plätzchen im Schatten. Auf dem Rückweg durchs Dorf komme ich durch einen Friedhof. Er wird gerade durch ein paar Hühner bevölkert. Dann kommt eine Moschee (es gibt hier 2 oder 3 davon), das kleine Museum (wo der Aufseher gerade schläft) und die Touristeninformation (! leider gerade geschlossen).
Trotz der Hitze in der Sonne entschliesse ich mich am späten Nachmittag zu einem Marsch zum Wasserfall. Er soll etwa 3 Kilometer entfernt sein. Ich brauche etwa 1 h 15 min, um dem Säumerpfad entlang des Baches zu folgen. Es geht immer wieder hoch und runter und einige Male muss ich über den Bach springen. Mir kommen Holzfäller mit ihren Pferden entgegen, welche das Brennholz ins Tal tragen. Ich sehe den Wasserfall von weitem. Um etwas näher an ihn heran zu gelangen, folge ich dem Säumerpfad einen Pass hoch, wo auch das Holzschlaggebiet ist. Der Kaukasuswald ist hier einfach herrlich. Den schönsten Blick auf den Wasserfall habe ich, als ich einen Abhang etwas hinuntersteige – etwas riskant, ist die Steigung teilweise sicher mehr als 100% geht es einige Meter bis ins Tal… Naja, ich hab es wieder nach Hause geschafft, sonst könnte ich dies hier ja gar nicht schreiben ;-)
Am Abend esse ich bei der Gastfamilie (Ehepaar, der Sohn Ruslan ist schon ausgeflogen) Hühnchen. Es ist ein einfaches Essen, trotzdem oder vielleicht gerade deshalb schmeckt es mir sehr. Am Abend laufe ich noch etwas durchs Dorf, wo ich nochmals den Einheimischen Führer vom Morgen treffe. Bei einem Cay schauen wir den anderen Männern beim Domino spielen zu. Dann treffe ich im Dorfzentrum noch auf Rafet (?, 24 Jahre). Er kommt aus Lahic und arbeitet jetzt bei einer Bank in Baku. Jetzt macht er gerade etwas Urlaub hier in Lahic und hilft seinem Vater im Laden aus. In fliessendem Englisch schildert er mir das Dorfleben, welches im Sommer hauptsächlich durch den Tourismus, im Winter durch Frieren bestimmt wird… Es hat schon lange eingedunkelt, der Vollmond (?) scheint und es ist nun Zeit zum zu Bett zu gehen. Doch das Bett hängt so fest durch, dass ich kurzerhand die Matratze auf den Boden verschiebe. So kann ich wenigstens schlafen.

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Baku (27. April – 3. Mai 2012)

Mit Baku habe ich eigentlich mein grosses Ziel meiner Reise erreicht. Ich wollte nach Osten reisen – an die Grenze von Europa zu Asien und zum Kaspischen Meer. Einfach in eine Region, die nicht gerade jeder kennt. Denn in welchem Bücherladen findet man Reiseführer zur Kaukasus Region? Es gibt nicht viele davon. Und wenn man einen findet, wo ist der Kaukasus eingeordnet? Bei Europa oder (Zentral-) Asien? Ein weiteres Ziel meiner Reise nach Baku ist die Ölindustrie. Ich möchte mal sehen, woher das Erdöl kommt, doch dazu später.
Mein allererster Eindruck der Stadt, wenn ich vom Bahnhof zur Altstadt laufe ist: Wow, wie sauber ist es hier denn. Ich habe das Gefühl, es sei hier sauberer als in den Städten der Schweiz. OK, ich habe vom Zug aus die Vororte gesehen und dort ist es nicht so… Aber hier in der Innenstadt könnte man vom Strassenboden essen, so sauber ist es. Für mich wirkt es beinahe steril.
Überall wird noch für den Eurovision Songkontest gebaut, geputzt, geschrubbt und auf Vordermann gebracht. Die ganze Stadt ist eine Baustelle. Man fragt sich, ob die das alles noch schaffen werden. Denn wie in diesen Ländern so üblich, arbeitet einer und fünf andere schauen zu… Die müssen ja selbstverständlich schauen, dass es richtig gemacht wird. Leider ist auch der Maiden Tower, eines der Wahrzeichen von Baku, mit einer Umhüllung versehen. Erst am Abend vor meiner Abreise haben sie den Vorhang entfernt. Ja, es sieht vieles toll und schön aus. Doch wenn man mal etwas genauer hinschaut, kommen ganz andere Sachen zu Tage. Wenn die Mauern aussehen, als seien sie aus Sandstein gebaut, dann ist es nur ihre Oberfläche. Denn hier werden diese aus Beton gemacht und anschliessend mit Sandsteinplatten verkleidet. Vielmals sind die Fugen dann auch liederlich ausgeführt und man fragt sich, wie lange das denn halten wird… Wenn die alten Häuserblocks saniert werden, dann ist es vor allem die Frontfassade, welche dann schön verziert wird. Wie es dann dahinter aussieht ist ja Nebensache, denn wer läuft schon darum? Man erinnere sich an die Wildwest Städte in Amerika… Auch bei Reparaturen und Restaurationen in der Altstadt wird normalerweise einfach mit Sandsteinplatten ausgebessert. Es wirkt hier vieles zwar schön, doch einfach ein bisschen oberflächlich. Etwas Fake…
Wenn man durch die Innenstadt von Baku läuft, dann sieht man meist nur Kleiderläden, Läden mit Taschen, Schuhen und Verkaufslokale für Händys (die häufig auch noch andere Elektronikartikel wie Fotoapparate anbieten). Meist sind die Preise sehr hoch. Markenartikel würde ich hier also nicht kaufen. Einen Supermarkt mit Essen habe ich in der Innenstadt nicht gefunden. Einzig am Boulvard gibt es einen. Und im Quartier mit den Regierungsgebäuden. Die Supermarkte führen vor allem Importprodukte. Derjenige im Regierungsquartier sieht aus wie ein deutscher Laden, nur dass die Preise drei mal so teuer sind. Scheinbar produziert Aserbaidschan keine eigenen Produkte und importiert vieles. Um Essen in der Altstadt zu kaufen, gehen denn auch die meisten Leute zu einem Minimarkt, der nur die nötigsten Sachen hat. Im Vergleich zu anderen nahen Ländern (Georgien und Türkei) kostet ein Coiffeurbesuch wohl auch mehr. Ganze 10 Mannat habe ich hingelegt, nur um meine Haare los zu werden. Auch wenn es sehr viele teure Kleiderläden gibt, atmungsaktive Outdoorbekleidung sucht man in Baku vergebens. So etwas kenne sie hier einfach nicht. Leider, denn ich hätte mir gerne noch eine leichte, schnelltrocknende Hose gekauft. Vielleicht in Georgien, Ukraine – oder gar nicht mehr…
Das Auto ist in Baku mehr als ein reines Transportmittel. Es ist ein wichtiges Statussymbol. So viele grossen Autos (SUV) wie hier in Baku habe ich noch nie gesehen. Dann sind diese SUV mit ihren Niederquerschnittsreifen nicht mal fürs Gelände geeignet… Auf der anderen Seite stehen die alten Ladas. “Normale” Autos findet man hier praktisch nicht. Komischerweise steht in der Stadt auch ab und zu ein Lada mit einem Platten an der Strasse – Parkprobleme scheinen die da nicht zu haben, oder etwa doch, bei so vielen Autos? Velos gibt es hier praktisch auch keine – die wenigen Bikes in der Einkaufsmeile sind wohl mehr ein Fungerät als ein Transportmittel. Denn wie mir Peter, der Radfahrer aus Deutschland, gesagt hat, sei das Radeln auf diesen Strassen absolut mühsam und gefährlich. Das glaube ich gerne, denn nur schon als Fussgänger die Strasse zu überqueren ist ein riskantes Unterfangen. Und erst recht wenn es sich um die Strasse zum Boulvard handelt – eine 6 spurige Strasse (3 Spuren pro Fahrtrichtung)! Und dann hört man immer wieder hier und dort ein Hupen… Am Samstag Abend ist auch die Hauptbeschäftigung der Einwohner Bakus, mit dem Auto zum Boulvard zu fahren. Dann parkiere man das Auto irgendwie an den Rand der Strasse, selbstverständlich auf der eigenlichen Fahrspur und gehe auf dem Boulvard flanieren. Kein Wunder ist da ein riesen (Verkehrs-) Chaos und die Hölle los…
Wenn man die sündhaft teuren Autos und Hotelpreise mit dem öffentlichen Verkehr vergleicht, dann ist dieser fast gratis. Für ein Busfahrt innerhalb der Stadt zahlt man nur gerade 20 Qepik – etwa 25 Rappen! Auch die Metro ist ähnlich günstig. Manchmal praktisch, manchmal mühsam ist, dass die Busfahrer auch irgendwo entlang der Linie zum Aussteigen und Einsteigen anhalten. Einen Billettautomaten sucht man hier vergeblich – bezahlt wird direkt beim Fahrer beim Aussteigen. Leider ist das Busnetz für den nicht Eingeweihten ein ewiges, grosses Rätsel, denn einen Linienplan gibt es nicht und hier den Überblick zu bewaren ist praktisch unmöglich. Zwar gibt es an den Bushaltestellen vereinzelt einfache Informationscomputer, doch zeigen diese nur die Namen der Haltestellen an, wo die Busse halten. Ohne Kenntnisse wo diese Haltestellen sind kommt man auch nicht weiter. Zusätzlich wird irgendwie eine Karte angezeigt, mit Shoppingmöglichkeiten und Hotels – doch was nützt mir das, wenn ich den richtigen Bus suche?
Etwas anderes ist mir auch aufgefallen. Während den ärmeren Leuten auf dem Land immer wieder mal Zähne fehlten, schlechte Mundhygiene haben und angefressene Zähne haben, sieht das Lächeln in Baku etwas anders aus. Vielmals blinzelt da ein Goldzahn hervor. Auch bei einer jüngeren Frau habe ich mal einen gesehen. Machen die Zähnarzte hier noch keine weissen Zähne aus anderen Materialien?
Baku ist eine teure Stadt und auch die Hotelpreise sind hoch. Erstaunlich ist aber vorallem, dass es fast keine günstigen Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Zum Glück habe ich die Möglichkeit im Caspian Hostel zu übernachten. Das reisst mir nicht ein Loch in meine Reisekasse und der Ort ist auch ganz angenehm. Vorallem der Kontakt mit der Familie, welche das Hostel führt freut mich – nicht zu letzt wegen der hübschen Mädchen ;-)

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